Landtag in Baden-Württemberg: Wahlrecht könnte der CDU helfen
Die CDU in Baden-Württemberg könnte unter Stefan Mappus weiterregieren, obwohl Rot-Grün gewinnt. Der Grund ist ein Wahlsystem mit Ausgleichs- und Direktmandaten.
STUTTGART taz | Das Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg würde zwar nach Umfragen eine rot-grüne Mehrheit für sich entscheiden. Sollte der Vorsprung jedoch hauchdünn sein, könnte es durch das Wahlsystem passieren, dass Schwarz-Gelb an der Macht bleibt - dank des Gewinns von Direktmandaten.
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern hat am Sonntag jeder Wähler nur eine Stimme. Damit wählt er zugleich den Kandidaten und die Partei. Im Landtag können zunächst 120 Sitze vergeben werden. Deren Zuteilung an die Bewerber erfolgt zum einen über die Direktmandate. Davon gibt es 70, weil es 70 Wahlkreise gibt. Bei der Wahl 2006 gewann die CDU allein 69 Direktmandate. Nach ihrem prozentualen Ergebnis standen ihr jedoch nur 58 Landtagssitze zu. Deshalb erhielt sie elf zusätzliche, die sogenannten Überhangmandate.
Die anderen Parteien holten entsprechend nur ein einziges Direktmandat. Bei ihnen entschied deshalb ihr Prozentergebnis über die Landtagssitze. Damit sie ihren Stimmenanteilen gemäß im Parlament vertreten sind, bekommen sie Ausgleichsmandate.
Jetzt kommen weitere Besonderheiten des Wahlrechts ins Spiel. Die errechneten Sitze pro Partei werden auf die Regierungsbezirke Freiburg, Karlsruhe, Stuttgart und Tübingen verteilt, um regionale Ausgewogenheit zu erzielen. Wenn die CDU also viele Direktmandate holt, erhalten SPD und Grüne in den jeweiligen Bezirken Ausgleichsmandate. Deren Anzahl wird pauschal abgerundet. Ein Beispiel: Hätte die SPD im Bezirk Freiburg Anspruch auf 15,6 Sitze, bekommt sie nur 15.
Durch das Abrunden bleibt am Ende ein Sitz über. Dieser fällt automatisch an die Partei, die das Direktmandat geholt hat - oft also der CDU. Dieser Effekt könnte also entscheidend sein, wenn Rot-Grün knapp vor Schwarz-Gelb liegt, die CDU aber erwartungsgemäß den höchsten Anteil der Direktmandate holt.
Wie groß der Effekt sein kann, dokumentiert der aktuelle Landtag. Die CDU ist in ihm mit 69 Sitzen vertreten, der - nach Anpassung durch das komplizierte Wahlrecht - nicht 120, sondern 138 Sitze hat. Umgerechnet: Die CDU hält 49,6 Prozent der Sitze, obwohl ihr Wahlergebnis 2006 bei 44,2 Prozent lag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“