Landschaftsökologie: "Sympathischer als die Mega-Party-Destinationen"
Eine Landesnaturschutzanwältin bemüht sich um Schadensbegrenzung in Skigebieten
taz: Frau Lins, in den alpinen Skigebieten scheinen alle Dämme gebrochen. Überall wird künstlich beschneit, dauernd werden kleine Anlagen durch größere ersetzt, dazu kommt die ständige Ausweitung der Partyzone. Wissen Sie als Landesnaturschutzanwältin von Vorarlberg überhaupt noch, wo anfangen?
Katharina Lins: Na ja, manchmal habe ich schon das Gefühl, dass wir an allen Fronten gleichzeitig kämpfen. Das Problem ist der Konkurrenzdruck: Alle glauben, wachsen zu müssen, weil die anderen ja auch wachsen, und diese Spirale dreht sich ständig nach oben. Da kann man nur versuchen, die schlimmsten Auswüchse aufzuhalten.
Haben die Betreiber in diesen Dingen denn nicht längst freie Hand?
Ganz freie Hand hat keiner, die Betreiber jammern jedenfalls immer über die vielen Beschränkungen. Aber es stimmt schon, der Naturschutz ist meistens in der Defensive. Leider. Wir können zumindest die Baustellen von besonderen Biotopen und den schönsten Ecken fernhalten oder die Wasserentnahmen für die Schneeanlagen beschränken. Oder es wenigstens versuchen. Schadensbegrenzung ist oft schon ein kleiner Erfolg.
Immerhin werden keine neuen Skigebiete mehr eröffnet. Und bestehende erhalten nur in den seltensten Fällen noch Genehmigung auf Ausweitung des Skibetriebs in bislang unberührte Geländekammern. Die Bergbahngesellschaften selbst sprechen ja nur noch von "Qualitätsverbesserungen".
Ja, das sagen sie alle. Wenn man genauer hinschaut, werden die Gebiete aber doch überall größer. Derzeit verfolgt man an vielen Orten kleinere Projekte, die größeren sind aber keineswegs vom Tisch. Für richtige Neuerschließungen fehlt schlicht das Potenzial - die guten Gebiete sind wohl schon alle verbaut. Oder es gibt gute Gründe, warum man dort bisher nichts gemacht hat, etwa die Lawinengefahr.
Gesetzt, es bliebe bei bloßen "Qualitätsverbesserungen", könnte Sie das denn wirklich beruhigen?
Das kommt darauf an, was man unter "Verbesserungen" verstehen will. Vieles davon ist für die Natur nicht unproblematisch, etwa die ständige Ausweitung der künstlichen Beschneiung mit ihrem hohen Wasser- und Stromverbrauch, die Anlage von Half-Pipes und Fun-Parks, die zunehmende Beschallung und Beleuchtung der Pisten, die zusätzlichen "Events". Gelegentlich staune ich schon, was den Touristikern alles einfällt. Trotzdem ist es besser, wenn die Entwicklungen auf die bestehenden Gebiete konzentriert werden und noch ein paar ruhige Zonen dazwischen bleiben.
Sie versuchen die Natur zu schützen, wer aber schützt denn eigentlich die Skifahrer? Die Leute wollen ein Naturerlebnis und finden sich in einem regelrechten Industriegebiet wieder, wo an jeder Ecke Maschinen brummen, Lautsprecher dröhnen, Riesenmasten stehen und die Pisten dort künstlich ins Landschaftsprofil gefräst wurden?
Katharina Lins - die Landschaftsökologin, seit 1997 Naturschutzanwältin von Vorarlberg, ist seit 2001 Vizepräsidentin der Alpenschutzkommission Cipra International
Es gibt eine Menge Leute, die das stört. Die müssten sich nur selbst mehr Gehör verschaffen. Und sie könnten vor allem mit ihren Geldbörsen und ihren Buchungen abstimmen. Wir haben einmal eine E-Mail von einem Deutschen veröffentlicht, der mit seinen Skigruppen nicht mehr in den Bregenzerwald kommen wollte, weil ihn die neuen Pistenverbindungen gestört haben. So was wirkt schon, besonders wenn es viele machen.
Ist Lech ein Positivbeispiel für Skigebiete, die regelmäßige Umweltberichte veröffentlichen und wo der technische Naturschutz doch schon ein beachtliches Niveau erreicht hat?
Generell setzt Lech eher auf Klasse statt Masse, und das finde ich sympathischer als die Mega-Party-Destinationen. Das kann sich aber auch nicht jeder Ort leisten. Jedenfalls ist positiv zu sehen, dass man sich überhaupt mit diesen Themen beschäftigt und die Daten offenlegt.
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