Landkonflikte in Uganda: Wahlkampf überm Erdöl
Die Ölfunde in West-Uganda schüren die ersten Landkonflikte. Die einen werden gewaltsam vertrieben, den anderen verspricht man Reichtum - für ihre Stimme.
MASINDI/BULIISA taz | "Dort unten liegt unser reiches Land", preist der alte Mann, als sich der Regenwald lichtet. Die Straße windet sich bergab und gibt einen atemberaubenden Blick frei in den Albertinen-Graben in Westuganda. Am Horizont sieht man den Albertsee, der die Grenze zwischen Uganda und dem Kongo markiert. Entlang des Ufers zieht sich ein karger Landstrich: Trockene Büsche werfen wenige Schatten. Die Luft flimmert, Gazellen huschen über die Straße.
"Wir haben viele Tiere hier", schmunzelt Phares Ngambe und zeigt auf die Wegweiser am Straßenrand: "Engege - 2,3 Km" steht darauf geschrieben. Engege bedeutet Fisch. Die Firmen, die hier nach dem schwarzen Gold bohren, haben den Ölquellen Tiernamen verpasst.
Seit 2006 Jahren wird im Albertinen-Graben nach Öl gebohrt. Schätzungen besagen, dass dort, wo die Erdplatten auseinanderdriften, bis zu 2,5 Milliarden Barrel Rohöl schlummern. Auch unter Ngambes Dorf Kataleba sind Geologen auf Öl gestoßen. Seitdem wirbeln Lastwagen den Staub auf der Dorfstraße auf. Ingenieure verlegen Kabel wie Spinnweben durch die Baumwollfelder, um das Land zu vermessen. Tullow Oil errichtet gerade einen Bohrturm, zwei Kilometer von Ngambes Haus entfernt.
Der alte Mann war bis vor kurzem der Dorfvorsteher von Kataleba. In der Siedlung aus Häuschen mit Wellblechdächern leben die Bauern des Volkes der Bagungu. Jetzt hat Dorfvorsteher Ngambe den Posten an seinen ältesten Sohn übergeben. Er habe sich den Problemen nicht mehr gewachsen gefühlt, sagt er und deutet auf die Lehmhütten mit verrammelten Türen am Ortseingang: "Hier haben bis vor kurzem die Balaalo gewohnt", seufzt er. Doch dann habe die Regierung die Halbnomaden samt ihren Rinderherden davongejagt.
Wenn Grace Barooroza an jene Lehmhütten zurückdenkt, steigen ihr Tränen in die Augen. Die 56-jährige Exvorsitzende der Balaalo nimmt ihre Brille ab, um sich zu schnäuzen. Sie sitzt jetzt in einem Restaurant in der rund 90 Kilometer entfernten Stadt Masindi, wo sie sich regelmäßig bei der Polizei melden muss. Aus einer Tasche kramt sie einen Ordner hervor: Gerichtsurteile und Zeitungsausschnitte mit Artikeln. Daneben ist ein Foto abgedruckt: Barooroza mit Schnittwunden an Schulter und Arm. Sie krempelt den Ärmel hoch: Die Narben sind deutlich zu sehen.
Wahlen: Am 18. Februar finden in Uganda Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Jüngste Umfragen besagen, dass Präsident Museveni mit 65 Prozent siegen wird. Museveni ist seit 25 Jahren an der Macht. Er regiert Uganda jüngst nach der Methode "teile und herrsche". Allein 2010 wurden 24 neue Bezirke geschaffen.
Öl: Seit 2006 bohrten die irische Firma Tullow sowie die kanadische Firma Heritage im Albertinen-Graben. 2009 verkündete Tullow Schätzungen von 2 Milliarden Barrel, die 2010 auf 2,5 erhöht wurden. Heritage verkaufte 2010 seine Erkundungslizenzen an Tullow. Es kam zum Streit mit der Regierung, die auf den Verkaufspreis Steuern erhob. Tullow kündigte für 2012 den Beginn der Ölförderung an. Vor zwei Wochen entschied die Regierung, eine Raffinerie am Albertsee zu errichten.
Barooroza hatte sich 2003 mit 630 Balaalo-Familien in Kataleba niedergelassen. "Damals wusste dort noch niemand etwas von dem Öl", sagt sie. Sie hatte mit Ngambe einen Deal ausgehandelt. Der Dorfälteste übergab einen Teil der Baumwollplantage als Weideland für die 50.000 Rinder an die Balaalo. Diese errichteten ihre Lehmhütten und verkauften den Bagungu Milch und Fleisch. "Wir hatten damals keine Probleme miteinander", sagt sie. Ngambe bestätigt dies.
Neuer Bezirk
Dann kam bei den Parlamentswahlen 2006 ein neuer Abgeordneter für den frisch geschaffenen Bezirk Buliisa an die Macht, in welchem Kataleba liegt: Stephen Biraahwa. Das Mitglied im Rohstoff-Ausschuss wusste von den Ölfunden und witterte Chancen, sich vor Ort und in Kampala beliebt zu machen. In der Hauptstadt kam sofort die Frage auf: Wer erhebt Anspruch auf das Land in der Ölregion? Biraahwa befahl den Balaalo, Buliisa zu verlassen. Dies sei Bagungu-Land. Im Juli 2007 erschien er vor den Lehmhütten in Kataleba, gefolgt von wütenden Bagungu. Er schwang die Machete und verletzte Barooroza.
Barooroza lag im Krankenhaus, als sie einen Anruf von höchster Stelle erhielt: Der Chefkoordinator der Geheimdienste, General David Tinyefuza, setzte ihr eine Frist: Den Balaalo blieben drei Tage, Buliisa zu verlassen. Barooroza zückt Gerichtsdokumente. Sie hat Tinyefuza vor dem Hohen Gericht in Kampala wegen illegaler Vertreibung verklagt. Eine einstweilige Anordnung erlaubte den Balaalo, vorerst zu bleiben.
Barooroza wendete sich an Präsident Yoweri Museveni. Sie traf ihn persönlich: "Er hat uns Entschädigung versprochen", nickt sie. Diese hat sie bis heute nicht erhalten. 2008 entschied das Höchste Gericht gegen die Balaalo. Museveni gab den Befehl zur Operation "Gerechtigkeit": Im Dezember 2010 marschierte Tinyefuza mit Soldaten und Polizisten in Kataleba ein. Sie vertrieben die Rinder, luden die Balaalo auf Lkws und fuhren sie davon. "Die Regierung hat entschieden, und dieser Beschluss ist endgültig", erklärte der Geheimdienstchef.
Borooroza fand sich in den Polizeistation in Masindi wieder: "Ich hatte nichts mehr: Die Bagungu töteten meine 182 Rinder, die Polizisten zogen in mein Haus, mein Geld musste ich für die Kaution aufwenden", schluchzt sie. Seitdem soll sie sich monatlich bei den Behörden melden. "Ich wünschte, sie hätten niemals Öl gefunden", sagt sie.
In Katabela feiert Biraahwa die Vertreibung als Sieg für die Bagungu. Im Schulhof sind Lautsprecher aufgestellt. Biraahwa hält eine feurige Rede: Er verspricht geteerte Straßen und Entschädigungszahlungen. Die Bagungu jubeln. Es ist Wahlkampf, und der Kandidat der Museveni-Partei NRM erhofft sich durch die Vertreibung der "Landbesetzer" Wählerstimmen: "Diese ungebildeten Bauern wussten ja nicht, dass eines Tages irgendwelche Nomaden ihr Land stehlen", wettert er.
Die Balaalo seien von Verwandten im Exil geschickt worden, um den Bauern das Öl wegzunehmen. Die westlichen Ölfirmen hätten zuerst über die Vorkommen in den Medien berichtet. Daraufhin hätten die Exilanten reagiert: "Das ist ungerecht, und für diese Sünden müssen sie jetzt büßen", sagt Biraahwa und verteilt Geldbündel an die Dorfbewohner.
Schlechtes Gewissen
Der Dorfälteste Ngambe traut den Versprechungen nicht. Er geht nicht auf die Wahlkampfparty. Er habe ein schlechtes Gewissen, sagt er. "Die Balaalo haben uns für das Land doch Geld gegeben, wir hatten eine Vereinbarung." Er hätte Tinyefuza angeboten, das Geld zurück zu geben. "Das Land ist euers", hat der General gesagt. Doch könne er sich darauf verlassen? "Unser Klan bestellt hier seit Jahrhunderten die Felder." Doch es gebe keine Eigentumsdokumente. "Wenn Soldaten kommen und sagen, ihr müsst gehen, was kann ich dagegen tun?"
Das Bezirkshauptquartier Buliisa mausert sich zu einer Kleinstadt: Neue Telefonmasten überragen die Häuschen, die erste Bankfiliale eröffnet bald, Tullow Oil lässt am Stadtrand ein Krankenhaus bauen. Doch die Freude über die plötzliche Entwicklung weicht der Ernüchterung, so scheint es.
Im Gemeindehaus zeigt Afiego (African Institute for Energy Governance) einen Film: über Landkonflikte durch Ölentdeckung in Nigeria. Dutzende Dorfvorsteher sowie Sprecher der Fischerfamilien verfolgen die Doku. Dann kommt eine Debatte auf: "Wir können nicht zulassen, dass die Politiker die Entscheidungen für uns treffen", fordert einer der Dorfvorsteher. "Wenn das Öl den See verseucht, was wird dann aus uns?", fragt der Fürsprecher der Fischer.
Alice Kazimura hört zu. Sie redet nicht gern, sie handelt lieber: Als Tullow Oil 2008 auf dem Grundstück ihres Nachbarn auf Öl stieß, entschädigte die Regierung diesen großzügig. Er packte seine Habseligkeiten und zog fort. In seinem alten Garten steht jetzt ein Bohrturm, umgeben von einem Zaun, an dem Sicherheitsleute patrouillieren. "Damals habe ich mich gefragt, was nun aus uns wird, wir haben doch alle keine Ahnung von Öl", sagt sie und erzählt von der Euphorie unter den Bewohnern: "Sie dachten, wir können selbst graben und Öl abfüllen."
Von Afiego erfuhr sie: Laut Landrecht gehört das Öl dem Staat. Die Entschädigungen seien immer niedriger geworden. "Ich musste einsehen: Entweder wir gewinnen oder wir verlieren." Daraufhin hat sie das "Öl-Forum" gegründet. Seitdem pendelt sie zwischen Kampala und Buliisa hin und her, um zwischen dem Energieministerium und den Bauern zu vermitteln.
Dickens Kamugisha, Afiego-Chef in Uganda, muntert die Zuschauer auf: "Ihr müsst aktiv werden und dürft nicht darauf warten, dass die Versprechen in Erfüllung gehen", sagt er. Die Dorfvorsteher und Fischer nicken. Fast täglich kommen Kandidaten auf Wahlkampftour durch Buliisa. Selbst Präsident Museveni war hier. Sie alle versichern Reichtümer. "Doch keiner sagt konkret, wie die Regierung diese mit den lokalen Gemeinden teilen wird", sagt Dickens.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!