Landkonflikt in Sambia: Wenn der Radfahrer stört
Der Angriff auf einen Radrennfahrer in Sambia entfacht einen uralten ethnischen Landkonflikt neu. Ein Kulturfestival wird zur Zielscheibe von Gewalt.

Die Gewaltausbrüche erfolgten am Sonntag, als Angehörige der Volksgruppe der Luvale sich versammelt hatten, um den berühmten Radrennfahrer James Falanga, genannt „One Yeye“, in Zambezi willkommen zu heißen. Er nahm dort am traditionellen Luvale-Kulturfestival „Likumbi Lya Mize“ teil, das am Sonntag begann und noch die ganze Woche läuft.
Männer der größeren Volksgruppe der Lunda überfielen die Willkommenszeremonie und zündeten ein Motorrad des Konvois von James Falanga an.
Likumbi Lya Mize ist seit langem ein Streitpunkt zwischen den beiden Volksgruppen, da Lunda sagen, es fände widerrechtlich auf ihrem Land statt.
Mit Pfeil und Bogen gegen Polizeischüsse
Die Polizei von Zambezi versuchte am Sonntag, der Gewalt ein Ende zu setzen, traf aber auf Widerstand seitens der Lunda. Eine regelrechte Straßenschlacht entwickelte sich: Lunda-Jugendliche gingen mit Steinen, Macheten sowie Pfeil und Bogen gegen die Polizei mit ihren Feuerwaffen vor. Außerdem wurden fünf Häuser im Besitz von Luvale angezündet.
Der 20-jährige Sohn eines lokalen Lunda-Gemeinschaftsführers wurde daraufhin von einer Kugel in den Bauch getroffen, angeblich ein Querschläger. Er wurde mit starken Blutungen ins Distriktkrankenhaus gebracht und danach ins Missionskrankenhaus Chitokoloki. Die Polizei beschlagnahmte über 30 Speere und Bogen.
Am Montag ging es weiter. Lunda griffen am Abend die traditionelle Luvale-Initiationsprozession „Mukanda“ an, die Jungs bei Erreichen der Pubertät als vollwertig in die Gemeinschaft aufnimmt. Die Polizei musste paramilitärische Verstärkung anfordern, um die Ruhe wiederherzustellen. 89 Männer, 20 Frauen, vier Mädchen und zwei Jungen wurden festgenommen. Ein 29-Jähriger wurde mit einem Gummigeschoss an der Wange verletzt.
Sambias Polizeisprecher Rae Hamoonga macht die Lunda für die Gewalt verantwortlich. Es bestehe der verdacht, dass gewisse Lunda seit Langem geplant hätten, das Festival „Likumbi Lya Mize“ zu stören, sagte er. „Die Polizei zusammen mit anderen Sicherheitsorganen bleibt in Zambezi präsent, um Recht, Ordnung und die Sicherheit aller Bürger zu gewährleisten“, sagte er.
Konflikt mit jahrhundertealten Wurzeln
Die Volksgruppe der Lunda ist historisch eine der größten Zentralafrikas, mit einem mächtigen vorkolonialen Königreich auf dem Gebiet von Katanga in der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Lunda sowie das kleinere Volk der Luvale sind außerdem auch in Angola beheimatet.
Der Konflikt zwischen den Volksgruppen geht unter anderem auf den Sklavenhandel zurück, bei dem im 19. Jahrhundert Lunda, die sich auf Luvale-Land niedergelassen hatten, gekidnappt und an angolanische Mittelsmänner verkauft worden sein sollen, zum Weiterverkauf an die Portugiesen in Angola.
In der nachfolgenden britischen Kolonialherrschaft im heutigen Sambia, das damals Nord-Rhodesien hieß, entwickelten sich aus dieser alten Feindschaft Landstreitereien.
Schon damals wurde über die Region der Ausnahmezustand verhängt. Die umstrittene koloniale Entscheidung, wonach der Zambezi-Fluss in dieser Region die Grenze zwischen den Hoheitsgebieten der beiden Volksgruppen bildet, wurde erst 2010 von Sambias Justiz erneut bestätigt.
Seit Sambias Unabhängigkeit 1964 ist es keiner Regierung gelungen, den Konflikt zu lösen – auch nicht der amtierenden Regierung von Präsident Hakainde Hichilema.
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