Lampedusa in Hamburg: Wem gehört das Viertel?
In St. Georg stehen sich zwei Anwohner-Initiativen gegenüber. Der Zankapfel: Das Lampedusa-Zelt. Noch ist offen, wer sich durchsetzt.
Gegen die Petition regt sich aber Widerstand vom Einwohnerverein St. Georg. Beide Seiten meinen, die Mehrheit der Anwohner*innen hinter sich zu haben.
Drastische Worte folgen auf drastische Worte: „Nie wieder“ solle das Zelt zurück nach St. Georg kommen, forderte Schreiber jüngst. Bürger*innen, Unternehmer*innen, Vereine und Verbände, das sei Konsens im Stadtteil, hielten das Zelt für „unerwünscht“. Von Dreck, Lärm und gar Prostitution im Zelt war die Rede.
Mit einer Unterschriftensammlung wollen Schreiber und seine Mitstreiter*innen Druck auf die Behörden ausüben, damit sie einer Neuaufstellung nicht zustimmen. Laut der IG Steindamm würden sich ansässige Unternehmen sonst „vehement wehren“.
Wer spricht fürs Viertel?
Nun fühlt sich der Einwohnerverein bemüßigt, gegen die Stimmungsmache anzugehen. „Diese markigen Worte sind hochgradig populistisch“, sagt Michael Joho, der Vorsitzende des alternativen Stadtteilvereins. Und weiter: „Wenn es Stimmen gegen das Zelt gibt, dann von Gruppen, deren Vorsitzender, Vorstandsmitglied oder Partner Markus Schreiber sowieso schon ist.“
Joho hält schon den Abbau im März für rechtlich fragwürdig und will mit der Lampedusa-Gruppe für eine Neuaufstellung sorgen. Das Zelt habe, als es noch stand, auch als Mahnung gedient – indem es permanent an die Probleme der Lampedusa-Geflüchteten erinnerte. Seit dem Abbau habe sich wenig geändert. „Auch ohne das Zelt ist der Steintorplatz Treffpunkt für Geflüchtete, die für ein dauerhaftes Bleiberecht kämpfen“, sagt Joho.
2013 war das Zelt aufgestellt worden und hatte bis zu diesem Frühjahr das Zentrum einer Dauermahnwache gebildet. Initiiert worden war es von Geflüchteten, die nach dem Libyen-Krieg über Italien nach Hamburg kamen und seither eine Anerkennung als asylberechtigtes Kollektiv fordern.
Dauermahnwache ruht
Dass es zum offenen Streit in St. Georg kommt, überrascht angesichts des kulturellen Hintergrunds der beiden Vorsitzenden kaum: Auf der einen Seite Joho, der als Referent für die linke Bürgerschaftsabgeordnete Heike Sudmann arbeitet und auch außerparlamentarisch aktiv ist.
Auf der anderen Seite Schreiber, der sich in seiner Zeit als Amtsleiter des Bezirks Mitte den Ruf eines rechten SPD-Hardliners erarbeitete. 2011 ließ er unter der Kersten-Miles-Brücke einen Zaun errichten, um Obdachlose zu vertreiben. Die Empörung war so groß, dass der Zaun wieder abgebaut wurde. Auch an Skater*innen und Bauwagenplatzbewohner*innen arbeitete er sich ab. Nach einem Ausflug in die Immobilienbranche mischt er seit 2015 als Bürgerschaftsabgeordneter wieder in der Politik mit.
Noch wurde keine neue Dauermahnwache angemeldet. Sobald es dazu kommt, liegt die Entscheidung beim Bezirksamt.
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