Lahme Mobilisierung gegen G-8: Kein zweites Heiligendamm in Sicht
Der G-8-Gipfel in Heiligendamm war ein Höhepunkt der linken Protestbewegung. Doch Regierungstreffen bergen derzeit kein Potenzial für Massenproteste.
BERLIN taz | Es ist für viele noch heute die Sternstunde ihrer Aktivisten-Karriere: Am 7. Juni 2007 scheint die Sonne warm über dem Ostseebad Heiligendamm, hinter Stacheldraht und Scharfschützen sitzen die Mächtigen der Welt, Bush, Blair, Putin, im Strandkorb. Draußen demonstrieren Zehntausende gegen die großen Acht: Friedensaktivisten, Ökos, Autonome.
Der G-8-Gipfel in Heiligendamm war für die deutsche Linke das größte Spektakel ihrer jüngeren Geschichte. Nächstes Jahr kommt der G8-Zirkus wieder nach Deutschland – zum ersten mal seit Heiligendamm. Die Mobilisierung gegen das Event hat noch nicht an Fahrt aufgenommen.
Bis jetzt gebe es erste Gespräche, heißt es aus Kreisen der interventionistischen Linken. Es sei einfach noch zu früh, um über eine Mobilisierung zu sprechen. Am 4. und 5. Juni 2015 treffen sich die Staats- und Regierungschefs der acht größten Industrienationen auf Schloss Elmau, einem fünf-Sterne-Hotel südlich von Garmisch in den bayerischen Alpen. Auf über tausend Metern Höhe finden die Gipfelteilnehmer die Abgeschiedenheit, nach der sie sich sehnen: eine Straße, keine Häuser, nur Wald und Berge.
Eine „reizvolle Kulisse“, heißt es im bisher einzigen Aufruf auf indymedia. Davon habe man sich „bei einem ersten Probewandern in der Umgebung des Schlosses“ überzeugt schreibt ein Revolutionäres Bündnis, namens [3A] . „Ein Wiederkommen im nächsten Jahr mit Sturm auf den Gipfel wird sich sicher lohnen.“ Das Bündnis kündigt an, Massenproteste organisieren zu wollen.
Dass sich die Mobilisierung jetzt, rund 16 Monate vor dem Gipfel, noch auf diesen einen indymedia-Eintrag beschränkt zeigt aber, dass der Protest gegen die G8 heute nicht die Dynamik hat, wie damals in Heiligendamm. Zwei Jahre vor dem Gruppenfoto im Strandkorb war die deutsche Linke bereits elektrisiert: Im Oktober 2005 setzten Autonome einen Pavillon des Auswärtigen Amts in Berlin in Brand – im Bekennerschreiben wurde auf den G-8-Gipfel verwiesen. Die Bundesanwaltschaft zählte seit Anfang 2005 insgesamt 12 Anschläge mit Bezug auf Heiligendamm. Außerdem luden linke Gruppen mehr als ein Jahr vor dem Gipfel an der Ostsee schon zu Vorbereitungstreffen, Mobilisierungsvideos schwirrten durchs Netz.
Miilitante Kampagnen nicht bekannt
„Die G-8 funktionieren einfach nicht mehr als die Weltregierung wie früher“, sagt Frauke Diestelrath von den Globalisierungskritikern Attac. „Damit bricht ein Symbol weg.“ Deshalb könne man jetzt auch noch nicht von einer großen Mobilmachung sprechen. Welche Form die Gegenproteste annehmen könnten, sei noch unklar. Trotzdem, so Distelrath, werde Attac auch diesen Alpen-Gipfel kritisch begleiten. „Aber ein zweites Heiligendamm wird es sicher nicht.“
Die Sicherheitsbehörden wollen offiziell keine Entwarnung geben. Beim Bundesamt für Verfassungsschutz heißt es, für eine Bewertung der Lage sei es noch zu früh. Der Bayerische Verfassungsschutz teilt auf Anfrage der taz jedoch schriftlich mit: „Bisher sind uns noch keine militanten Kampagnen bzw. Straftaten gegen den G8-Gipfel 2015 bekannt.“
Auch wenn die militante Szene G-8 derzeit ignoriert, hält Malte Fiedler von der Linksjugend Solid nichts davon, die G-8-Proteste für tot zu erklären: „Das kann jeder Zeit wieder hochkochen, je nachdem welche Themen auf dem Gipfel verhandelt werden.“ Dass es noch kein Bündnis gibt, könnte ein Zeichen der Souveränität sein. „Seit 2007 arbeiten die selben Leute kontinuierlich zusammen, deshalb brauchen wir dieses mal keine zwei Jahre Vorlaufzeit.“
Der G-8-Gipfel steht bisher noch nicht ganz oben auf der linken Agenda. Das hat auch damit zu tun, dass sich dort längst andere Termine prominent eingenistet haben: Die Blockupy-Aktionen im Frankfurter Bankenviertel haben in der Szene größere Strahlkraft als Regierungsgipfel – seit der Finanzkrise taugt der Banker besser als Feindbild denn der Politiker. „Wir sind gerade noch viel zu beschäftigt mit Blockupy und den Protesten gegen den neuen EZB-Turm in Frankfurt, um uns um den G8 zu kümmern“, sagt ein Aktivist. „Eigene Themen zu setzten macht einfach mehr Spaß, als Regierungen hinterherzureisen, die eh nichts zu sagen haben.“
Eine Kritik nach den Protesten von 2007 war unter anderem deren „Ferienlager“-Charakter, eine Woche Polit-Campen im Grünen ohne politische Relevanz. Als mittelbare Reaktion darauf entstand das Blockupy-Konzept. Die Gefahr: Wo wäre ein besserer Ort für einen Campingurlaub als mit Blick aufs Alpenglühen?
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