: Lager und Abschiebung als Regel?
Der EU-Gipfel in Laeken hat am Wochenende keine gemeinschaftlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit Flüchtlingen und AsylbewerberInnen gebracht. Flüchtlingsorganisationen fürchten einen schlechten Kompromiss
BRÜSSEL taz ■ Ob die Kommission einen Kommentar zum Flüchtlingsdrama von Fuerteventura abgeben werde, wurde der Sprecher des zuständigen portugiesischen Kommissars Antonio Vitorino gestern in Brüssel gefragt. Dort seien derzeit 1.500 Flüchtlinge auf 1.000 Quadratmeter Lagerfläche zusammengepfercht, wie ein spanischer Journalist berichtete. Kommissionssprecher Leonello Gabrici nahm das Stichwort gerne auf: Leider fehle der EU-Kommission jede Möglichkeit, Einfluss auf spanische Innenpolitik zu nehmen. Das Beispiel zeige aber, wie notwendig es sei, die Asylpolitik innerhalb der EU zu harmonisieren.
Beim Gipfel von Laeken hatte vergangenes Wochenende ein Vorschlag der EU-Kommission für gemeinschaftliche Rahmenbedingungen beim Asylverfahren, bei den Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge und beim Familiennachzug auf dem Tisch gelegen.
Der deutsche Innenminister Otto Schily (SPD) hatte aber im Vorfeld klar gemacht, dass er keine EU-Regelung akzeptieren werde, die gegenüber dem deutschen Asylrecht eine Verbesserung für die Flüchtlinge bedeutet. Er fürchtet, dass in diesem Falle die Asylbewerberzahlen in Deutschland wieder ansteigen könnten.
Europäische Flüchtlingsorganisationen haben in Brüssel besorgt darauf reagiert, dass Vitorinos Entwürfe bei den Regierungschefs nicht auf Zustimmung stießen. Sie glauben, dass nun ein Kompromiss gesucht wird, der die Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge in der EU verschlechtert.
Der noch bis Jahresende amtierende EU-Ratspräsident Guy Verhofstadt, der Vitorinos liberale Vorschläge unterstützt hatte, kündigte an, die EU-Kommission werde innerhalb von drei Monaten einen neuen Richtlinienentwurf zum Asylverfahren vorlegen.
Der Generalsekretär des Verbandes europäischer Flüchtlingsorganisationen ECRE, Peer Baneke, fürchtet, dass der überarbeitete Entwurf die Internierung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in grenznahen Lagern und die Abschiebung in so genannte sichere Drittstaaten, die nach deutschem Asylrecht bereits möglich ist, für die ganze Europäische Union zur Regel machen könnte.
Kritik äußerte der ECRE-Generalsekretär an Bundeskanzler Gerhard Schröder, der am Freitag den Passus zur Familienzusammenführung im Kommissionsentwurf abgelehnt hatte, nach dem Kinder bis 18 Jahre ihren Eltern ins Exil nachreisen dürfen.
Peer Baneke sagte, er könne sich nicht vorstellen, dass deutsche, britische oder französische Eltern wünschten, von ihren Kindern unter 18 Jahren getrennt zu werden.
DANIELA WEINGÄRTNER
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