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Lafontaine verzichtet auf KandidaturEin Rückzug auf Raten

Der Chef der Linken verzichtet auf eine Kandidatur für den Vorsitz der Bundestagsfraktion und will im Saarland Landespolitik machen. Nun führt Gregor Gysi die Partei im Bundestag.

Oskar Lafontaine, umlagert von Journalisten bei seiner Ankunft in Rheinsberg. Bild: dpa

RHEINSBERG taz | Um 12.35 Uhr ergriff Oskar Lafontaine vor der neuen 76-köpfigen Fraktion das Wort. Man hatte sich in Rheinsberg, im Norden von Berlin, zur Klausur getroffen. Ein Ritual. Eigentlich erwartete niemand etwas Überraschendes. Höchstens ein paar Neubesetzungen von Ausschussvorsitzenden oder Sprecherposten. Doch es kam anders. Es war Lafontaines letzte Rede als Fraktionschef. Er wird fortan im Bundestag einfacher MdB sein. An den Spekulationen, so Lafontaine in seiner Abschiedsrede als Fraktionschef, dass er die Linkspartei mit den Sozialdemokraten langfristig fusionieren will, sei "nichts dran". Mit Grünen und SPD werde es im Bundestag bis 2013 nur "eine punktuelle Zusammenarbeit geben". Es war ein Appell an die Einigkeit der Linkspartei. "Wir werden", so Lafontaines Botschaft, "überflüssig, wenn wir uns zu sehr an Grün und SPD annähern." Um 12.51 Uhr sagte Lafontaine: "Ich werde nicht mehr als Fraktionsvorsitzender kandidieren."

Und er verkündete, wie es nun weitergehen soll. Die Fraktion solle wie bisher von Gregor Gysi geführt werden sowie von einer Westfrau. Auch die Parteispitze, die im Mai 2010 gewählt wird, soll doppelt quotiert sein, nach Geschlecht und West-Ost: Neben Lafontaine, der als gesetzt gilt, soll eine Ostfrau die Linkspartei führen. Außerdem, so Lafontaine, wolle er an der Saar Rot-Rot-Grün stützen, wenn die Grünen am Sonntag dazu Ja sagen. Der Job als Fraktionsvorsitzender an der Saar "überfordert mich ja nicht so, dass ich nicht noch Platz für anderes habe". Sein Verzicht auf das Amt in Berlin, beteuerte Lafontaine am Ende seiner halbstündigen Rede den noch leicht benommen wirkenden Genossen, sei "kein Rücktritt". Die Linkspartei-Abgeordneten waren danach ziemlich sprachlos. Ulla Jelpke, Schlüsselfigur des Fundiflügels, sagte der taz, dass dies "eine Schwächung der Fraktion" ist. Gysi und Lafontaine hätten integrierend gewirkt, es sei unklar, ob eine neue Fraktionsspitze ähnlich effektiv sein werde. Bundeswehrexperte Paul Schäfer kommentierte: "Es wird schwieriger." Und die Frage schwebt im Raum: Warum dieser Verzicht jetzt?

Lafontaine versicherte vor der Presse nach der Fraktionssitzung, seine Entscheidung stehe schon lange fest. "Jahrelang war ich der Machtversessene, aber wenn ich nicht mehr kandidiere, ist es auch nicht recht." Im Wahlkampf, so der Exfraktionschef, habe er mit seinem Jobverzicht nicht irritieren wollen. Doch manche bezweifeln, dass dieser Entschluss von langer Hand geplant war. Gäbe es weiter die große Koalition, so eine Spekulation, wäre er Fraktionschef geblieben. "Vier Jahre Schwarz-Gelb waren ihm wohl zu langweilig", sagte ein Linkspartei-Politiker.

Die Fraktion wählte Gregor Gysi mit 94,7 Prozent zum Fraktionschef. Ob und mit welcher Westfrau er sein Amt teilen soll, wurde gestern auf unbestimmte Zeit vertagt. Feministinnen in der Fraktion waren von der Aussicht auf die Doppelquote nur maßvoll begeistert. "Die Kerle sagen, wo es langgeht, wir machen das Quotenbeiwerk."

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16 Kommentare

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  • S
    Stefan

    Also, wenn es tatsächlich so kommt, wie hier im Artikel dargestellt, dann kann man doch nur sagen, dass sich die Linke ganz geschickt aufstellt: Lafontaine im Saarland Fraktionsvorsitzender und Ko-Parteichef im Bund (und damit, wenn die Gesundheit mitspielt, neben Ramelow heißer Kandidat für einen Ministerpräsidentenposten für die Linke bei den nächsten Landtagswahlen), Gysi Ko-Fraktionsvorsitzender im Bund, Bisky müht sich redlich in Europa und Platz für neue (auch weibliche) Gesichter wird auch geschafft.

  • Z
    zickezacke

    @ Bernd Goldammer: Sehr guter Kommentar.

    Auf einen so moralisch integeren Politiker wird man nach Oskar lange warten müssen.

     

    @Komitee für internationale kleinschreibung:

    Eine Diplom-Physiker wie Lafontaine wird sich mit "Physikalische gesetzmäßigkeiten" (lol) ganz sicher nicht schlechter auskennen als Sie.

  • J
    josha

    Oskar, immer für eine Überaschung gut. Rhetorisch gewandt aber nie was dahinter. Aus Prinzip dagegen aber wenn er gebraucht wird verschwindet er.

    Zum Glück gibt es Talkshows, wo wir ihn immer imd Immer wieder seine Polemik ausspucken hören können.

  • P
    pekerst

    "Höchstens ein paar Neubesetzungen von Ausschussvorsitzenden... Er wird fortan im Bundestag einfacher MdB sein." Seit wann werden "Ausschussvorsitzende" neu besetzt und nicht Ausschussvorsitze, Herr Reinecke? Und seit wann ist jemand "einfacher MdB", also "einfacher Mitglied..."?

  • BG
    Bernd Goldammer

    Da haben die Zeitungen wieder mal mit seltsamsten Vorstellungen hin und her gerechnet, und am Ende wohl ihre eigenen Absonderungen gefressen. Oskar Lafontaine wieder nicht als machtgeiler Politiker erwiesen. Er sieht seine Aufgabe und handelt nach tiefen Überzeugungen. Und wenn dies bedeutet Fraktionschef im Saarland zu werden, dann tut er das mit Liebe und Leidenschaft. Wenn der saarländische Grünenchef sich darüber heute bei Bild, statt in der TAZ ausheult spricht das Bände. In einem Punkt muss ich allen Zeitungen Recht geben: Charaktertyp Lafontaine passt nicht in die Verkommenheit des gegenwärtigen Establishments. Genau dafür wird er nicht nur im Saarland geliebt.

  • T
    tiger

    So ein Kack. Oskar ist der Beste.

  • KF
    Komitee für internationale kleinschreibung

    Besser so. Oskar Lafontaine birgt leider die gefahr einer implosion in sich, Grünen-fischer Joschka darin nicht unähnlich, d. h. die eigenschaft zu haben, immer mehr macht an sich zu ziehen oder auf sich zu vereinigen, sich exorbitant aufzublähen, und schließlich... Peng, der corpus platzt, das linke bierdeckelhaus fällt in sich zusammen... - Physikalische gesetzmäßigkeiten eben!

     

    Es wäre also jammerschade um die gerade erst von den faschistischen, blutigen verfolgungen der deutschen geschichte des 20. jahrhunderts vorsichtig regenerierte politische Linke, wenn einer wie Lafontaine sie für seinen Napoleonkomplex instrumentalisieren würde bzw. die Linke es zuließe, sich von Lafontaine in ein erneutes tal der tränen reiten zu lassen.

     

    Lass man ihm doch das Saarland, damit sich im bund eine linke basisdemokratie entwickeln kann.

  • EB
    Ein Brandenburger

    Wer immer dieses Gerücht in die Welt gesetzt und über Frankfurter Rundschau und Spiegel Online verbreitet hat, er möchte dem saarländischen Grünen-Landesparteichef Hubert Ulrich ein weiteres Argument gegen eine rot-rot-grüne Koalition liefern.

     

    Auch der Zeitpunkt ist gut gewählt, da die Entscheidung an diesem Sonntag fallen soll und wenig Zeit für Dementis bleibt. Die Spekulation wird auch bereits in den öffentlich-rechtlichen Nachrichten gesendet.

  • S
    Stefan

    Also, wenn es tatsächlich so kommt, wie hier im Artikel dargestellt, dann kann man doch nur sagen, dass sich die Linke ganz geschickt aufstellt: Lafontaine im Saarland Fraktionsvorsitzender und Ko-Parteichef im Bund (und damit, wenn die Gesundheit mitspielt, neben Ramelow heißer Kandidat für einen Ministerpräsidentenposten für die Linke bei den nächsten Landtagswahlen), Gysi Ko-Fraktionsvorsitzender im Bund, Bisky müht sich redlich in Europa und Platz für neue (auch weibliche) Gesichter wird auch geschafft.

  • Z
    zickezacke

    @ Bernd Goldammer: Sehr guter Kommentar.

    Auf einen so moralisch integeren Politiker wird man nach Oskar lange warten müssen.

     

    @Komitee für internationale kleinschreibung:

    Eine Diplom-Physiker wie Lafontaine wird sich mit "Physikalische gesetzmäßigkeiten" (lol) ganz sicher nicht schlechter auskennen als Sie.

  • J
    josha

    Oskar, immer für eine Überaschung gut. Rhetorisch gewandt aber nie was dahinter. Aus Prinzip dagegen aber wenn er gebraucht wird verschwindet er.

    Zum Glück gibt es Talkshows, wo wir ihn immer imd Immer wieder seine Polemik ausspucken hören können.

  • P
    pekerst

    "Höchstens ein paar Neubesetzungen von Ausschussvorsitzenden... Er wird fortan im Bundestag einfacher MdB sein." Seit wann werden "Ausschussvorsitzende" neu besetzt und nicht Ausschussvorsitze, Herr Reinecke? Und seit wann ist jemand "einfacher MdB", also "einfacher Mitglied..."?

  • BG
    Bernd Goldammer

    Da haben die Zeitungen wieder mal mit seltsamsten Vorstellungen hin und her gerechnet, und am Ende wohl ihre eigenen Absonderungen gefressen. Oskar Lafontaine wieder nicht als machtgeiler Politiker erwiesen. Er sieht seine Aufgabe und handelt nach tiefen Überzeugungen. Und wenn dies bedeutet Fraktionschef im Saarland zu werden, dann tut er das mit Liebe und Leidenschaft. Wenn der saarländische Grünenchef sich darüber heute bei Bild, statt in der TAZ ausheult spricht das Bände. In einem Punkt muss ich allen Zeitungen Recht geben: Charaktertyp Lafontaine passt nicht in die Verkommenheit des gegenwärtigen Establishments. Genau dafür wird er nicht nur im Saarland geliebt.

  • T
    tiger

    So ein Kack. Oskar ist der Beste.

  • KF
    Komitee für internationale kleinschreibung

    Besser so. Oskar Lafontaine birgt leider die gefahr einer implosion in sich, Grünen-fischer Joschka darin nicht unähnlich, d. h. die eigenschaft zu haben, immer mehr macht an sich zu ziehen oder auf sich zu vereinigen, sich exorbitant aufzublähen, und schließlich... Peng, der corpus platzt, das linke bierdeckelhaus fällt in sich zusammen... - Physikalische gesetzmäßigkeiten eben!

     

    Es wäre also jammerschade um die gerade erst von den faschistischen, blutigen verfolgungen der deutschen geschichte des 20. jahrhunderts vorsichtig regenerierte politische Linke, wenn einer wie Lafontaine sie für seinen Napoleonkomplex instrumentalisieren würde bzw. die Linke es zuließe, sich von Lafontaine in ein erneutes tal der tränen reiten zu lassen.

     

    Lass man ihm doch das Saarland, damit sich im bund eine linke basisdemokratie entwickeln kann.

  • EB
    Ein Brandenburger

    Wer immer dieses Gerücht in die Welt gesetzt und über Frankfurter Rundschau und Spiegel Online verbreitet hat, er möchte dem saarländischen Grünen-Landesparteichef Hubert Ulrich ein weiteres Argument gegen eine rot-rot-grüne Koalition liefern.

     

    Auch der Zeitpunkt ist gut gewählt, da die Entscheidung an diesem Sonntag fallen soll und wenig Zeit für Dementis bleibt. Die Spekulation wird auch bereits in den öffentlich-rechtlichen Nachrichten gesendet.