Lärmbelästigung: Gesang nur mit Genehmigung
In Altona müssen sich Straßenmusiker registrieren lassen. Wenn sie ohne Meldekarte auftreten, drohen ihnen Strafen. Grund sind Beschwerden von Anwohnern.
HAMBURG taz | Seit dem vergangenem Donnerstag müssen sich Straßenmusiker, die in Altonas Zentrum auftreten, beim Bezirksamt registrieren lassen. Dabei erklären sie sich mit einem Merkblatt einverstanden. Der Inhalt: Ein Musiker darf nicht länger als 30 Minuten an einem Ort spielen, der nächste Spielort muss mindestens 150 Meter entfernt sein, laute Instrumente müssen zwei Wochen vorher genehmigt werden.
Drei Schilder weisen in Altonas Einkaufsstraßen auf die Registrierungspflicht hin. Vielen Musikern wie Reck von Berg ist sie noch unbekannt. Der Opernsänger singt seit 25 Jahren auf den Straßen um den Altonaer Bahnhof. Über mögliche Sanktionen sorgt er sich nicht: „Die kennen mich hier doch alle.“
Wer ohne Meldekarte musiziert oder gegen das Merkblatt verstößt, macht sich strafbar. Die möglichen Konsequenzen sind Bußgelder oder der Einzug von Instrumenten. Grund für den Beschluss zur Meldepflicht ist die Lärmbelästigung von Anwohnern. Es habe „massive Proteste über einen langen Zeitraum gegeben“, sagt Bezirksamts-Sprecherin Kerstin Godenschwege.
Straßenmusiker, die in Altona auftreten wollen, brauchen seit dem 23. Februar eine behördliche Genehmigung.
Die Meldekarte genannte Genehmigung müssen Straßenmusiker bei ihrem Auftritt vor sich auf den Boden legen.
Die Regelung gilt insbesondere für: Ottenser Hauptstraße, Spritzenplatz, Alma-Wartenberg-Platz, Neue Große Bergstraße und Große Bergstraße.
Ein Musiker, der keine Meldekarte vorweisen kann, muss den Platz verlassen. Sonst drohen Bußgelder und Einzug der Instrumente.
Beschwert hat sich zum Beispiel Dieter Kröger. Er lebt und arbeitet seit 2005 mit seiner Frau in der Ottenser Hauptstraße. Die Dauerbeschallung durch Trommeln und verstärkte Instrumente mache ihnen auch gesundheitlich zu schaffen, sagt er: Er leidet unter Ohrpulsen, sie unter Bluthochdruck. Auch in den angrenzenden Geschäften fühlt man sich von den Musikern eher gestört.
Doch das sehen nicht alle Anwohner so. Birgit Sonnabend ist überrascht, „dass es gerade hier eine solche Verordnung gibt“. Und Karen Derksen ist über die neue Regelung empört: Das Schild sei „verlogen dekorativ“ und weise nicht auf die möglichen Konsequenzen hin. Gerade für internationale Musiker, die wenig Deutsch sprechen, seien Kontrollen „ein Akt der Willkür“. Denn das Merkblatt gibt es lediglich auf Deutsch.
Das Merkblatt für die Straßenmusiker gibt es seit 2011, es gilt in ähnlicher Form für ganz Hamburg. Neu ist aber die Pflicht zur Registrierung. Diese solle den Umgang mit Straßenmusikern erleichtern, sagt Bezirksamts-Sprecherin Godenschwege. Für die Kontrollen ist der Bezirkliche Ordnungsdienst mit seinen elf Mitarbeitern zuständig.
Musiker über bestehende Richtlinien zu informieren, hält Anwohner Kröger für richtig. „Aber zufrieden sind wir erst, wenn es auch umgesetzt wird.“ Das Bezirksamt möchte die Anwohner vor Lärm schützen. „Aber wer heute dort hinzieht, weiß, worauf er sich einlässt“, sagt Sprecherin Godenschwege.
Im Moment ist in Altonas Straßen wenig Musik zu hören – das liegt allerdings am Wetter. Nur ein Akkordeonspieler sitzt am Spritzenplatz. Auch er ist hier bekannt – bei Kritikern und Unterstützern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist