Lärm und Gesundheit: Flugzeuge im Herz
Dauerbeschallung steigert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen. Insgesamt schadet Lärm aber weniger als angenommen.
Fast 30.000 Anwohner, die nahe den Flughäfen Frankfurt, Köln/Bonn, Berlin-Schönefeld und Stuttgart leben, interviewten die Wissenschaftler unter Leitung des Psychologen Rainer Guski von der Ruhr-Universität Bochum telefonisch und schriftlich, daneben werteten sie Datensätze von rund einer Million Krankenversicherten aus.
Am Donnerstag nun präsentierten sie in Frankfurt die Ergebnisse ihrer „Noise-Related Annoyance, Cognition and Health“-Studie (Norah): Danach existieren – unbestritten – diverse gesundheitliche Risiken durch Fluglärm, sie sind jedoch insgesamt geringer als bisher angenommen.
So habe etwa die chronische Belastung durch startende und landende Flugzeuge keinerlei Auswirkungen auf den Blutdruck, stellten die Wissenschaftler zu ihrer eigenen Überraschung fest: „Dieses Ergebnis widerspricht Hinweisen aus bisherigen Studien.“ Die Diskrepanz erklären sich die Forscher so, dass sie besser und präziser dank größerer Datensätze gerechnet hätten als andere Forscher.
Kein Grund zur Entwarnung
Merklich erhöhen könne permanenter Krach dagegen das Risiko für Herzinfarkte, Herzschwäche und Schlaganfälle. Auch die psychischen Folgen von Fluglärm seien nicht zu unterschätzen, warnten die Wissenschaftler: Die Gefahr, lärmbedingt eine Depression zu entwickeln, sei größer als alle sonstigen körperlichen Erkrankungsrisiken.
Positiv beurteilten die Forscher das Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen: Seit dort 2011 eine sechsstündige Ruhezeit in der Nacht eingeführt wurde, schliefen die Anwohner besser. Dabei spielte offenbar auch ihre Einstellung eine Rolle: Menschen, die dem Fliegen positiv gegenüberstehen, schlafen demnach besser als Flugverkehrskritiker.
Ein Grund zur Entwarnung sei dies aber alles nicht, schränkte der Studienleiter Rainer Guski ein: Denn die subjektiv empfundene Belästigung durch den Fluglärm sei in den vergangenen Jahren an allen Flughäfen stark gestiegen – und zwar selbst dann, wenn sich der Dauerschallpegel, dem die Anwohner ausgesetzt waren, tatsächlich gar nicht erhöht hatte.
Dass die Deutschen empfindlicher sind als beispielsweise ihre europäischen Nachbarn, glauben die Forscher indes nicht. Vielmehr, so ihre Schlussfolgerung, müssten die bisherigen Berechnungsmodelle der Europäischen Union zur Lärmbelastung möglicherweise korrigiert werden.
Beauftragt hatte die Studie die Umwelt- und Nachbarschaftshaus GmbH, eine Tochtergesellschaft des Landes Hessen. An der Finanzierung beteiligten sich neben dem Land Hessen auch die Kommunen, der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport und Luftverkehrsgesellschaften.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video