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Lärm in der StadtBlaue Straßen

Hannover, Frankfurt am Main und Nürnberg sind nach der Studie der Fraunhofer-Gesellschaft die lautesten Großstädte Deutschlands. Am meisten lärmt der Straßenverkehr.

Mit weniger Autos wären die Straßen nicht so blau. Bild: Horla Varlan | CC-BY

BERLIN taz | Hannover ist die lauteste Stadt Deutschlands. Das geht aus dem Städteranking der Geers-Stiftung hervor, das gestern in Berlin vorgestellt wurde. Die Dortmunder Stiftung finanziert Forschung auf dem Gebiet der Hörbehinderung.

Untersucht wurden alle deutschen Städte mit mehr als 250.000 EinwohnernInnen. "Wir haben uns dabei an der EG-Umgebungslärmrichtlinie orientiert", sagt Philip Leistner vom Fraunhofer-Institut, das das Ranking erstellte. Die Richtlinie schreibt Städten dieser Größe vor, Lärmkarten anzufertigen und mit den Bürgern Pläne gegen die Belastung zu erarbeiten. Für das Ranking hat das Institut die Karten der Lärmquellen Straßen-, Schienen- und Flugverkehr sowie Industrie und Gewerbe zusammengefasst. "Wo sich die unterschiedlichen Quellen des Krachs treffen, entstehen Lärmflächen," erklärt Leistner.

Je nach Lautstärke sind die Stadtkarten blau, rosa, rot, lila oder gelb gefärbt. Blau sind die besonders lauten Gegenden mit Belastungen von 75 Dezibel – so laut ist in etwa ein startendes Flugzeug. Schon bei einer Dauerbeschallung von 65 Dezibel steigt laut Umweltbundesamt die Gefahr für schwere Krankheiten wie Herzinfarkte um ein Drittel an.

Blau, rosa, rot, lila oder gelb

Die Farbe Gelb verrät eine Belastung von 55 bis 60 Dezibel, eine Lautstärke, in der Gespräche geführt werden. Das sei der Bereich, ab dem die Städte laut EG-Richtlinie Gegenmaßnahmen treffen müssten, begründet Leistner die Skala. An einer "blauen Straße" genau 75 Dezibel messen zu können, funktioniere aber nicht: "Es handelt sich hier um einen Index, der aus dem Durchschnitt der Lärmbelastung am Tag, dem Abend und in der Nacht entsteht", so Leistner.

In Hannover sind 70 Prozent der Stadtfläche gelb bis blau gefärbt. Als Ursache für den Negativpreis der lautesten Stadt betrachtet Leistner die Verkehrssituation in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Der Lärm könne sich weitflächig ausbreiten, anders als in Städten mit einer hohen Bebauung.

Den Verkehrsmanager der Region Hannover, Ulrich Opel, wundern die Ergebnisse: "Ich nehme die Stadt als nicht besonders laut wahr", sagt er. Trotzdem kümmere sich die Stadt darum, Straßenlärm zu mindern.

Leipzig ist ruhig

Dem Spitzenreiter Hannover dicht auf den Fersen sind Frankfurt am Main und Nürnberg. Berlin belegt den sechsten Platz. Die ruhigsten Städte sind Leipzig, Augsburg und Münster. Beim Blick auf die Rangfolge wird klar: "Größere Städte sind nicht zwangsläufig die lautesten", stellt Gottfried Diller von der Geers-Stiftung fest.

Ihm geht es vor allem darum, auf die Geräusche in der Umgebung aufmerksam zu machen, die Gespräche in der Stadt störe und die Lebensqualität mindere. Der Lärm führe bei manchen Menschen zur Überlastung und zu Krankheiten.

Den Grenzwert von 55 Dezibel jemals unterschreiten zu können hält der Ingenieur Leistner für "unrealistisch". Die stille Elektromobilität werde erst in ferner Zukunft laute Verbrennungsmotoren verdrängen, und bestehende Ideen, die Städte leiser zu gestalten, reichten nicht aus. Dennoch sollten die Maßnahmen, wie Geschwindigkeitsbeschränkungen, Sperrungen für Lkws, grüne Ampelwellen oder lärmarmer Straßenbelag, die heute diskutiert und teilweise umgesetzt werden, vorangetrieben werden.

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4 Kommentare

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  • S
    stoeps

    Man mag es mir als Lokalpatriotismus auslegen, aber ich konnte mir als Hannoveraner dieses Ergebnis nicht erklären und habe einfach mal gegoogelt. Zwei Minuten später war ich schlauer - nachdem ich den entsprechenden Artikel bei Spiegel-Online gelesen hatte. Dort wird nämlich (im Gegensatz zum oberflächlichen taz-Artikel) über die "Wissenschaftlichkeit" dieser Studie berichtet.

     

    http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,787329,00.html

     

    In letzter Zeit konnte ich in den Leserkommentaren hier immer öfter den Vorwurf der schlechten Recherche/Inkompetenz/Oberflächlichkeit lesen. Ich komme nun auch langsam zu dem Eindruck, dass die Qualität dieser Zeitung in merkwürdig widersprüchlichem Abwärtstrend zu ihrer "ist mir was wert"-Kampagne steht ...

  • DL
    Dirk Lüdicke

    Hallo Frau Veltzke,

    "An einer "blauen Straße" genau 75 Dezibel messen zu können, funktioniere aber nicht."

    Natürlich funktioniert das nicht, denn nach ihrer vorherigen Einlassung, dass 75 dB einem startenden Flugzeug entsprächen, müsste man an einer "blauen Straße" schon den Start eines solchen abwarten.

    75 dB entsprechen eher einem Staubsauger oder einer Straße mit Verkehrslärm. Ein startendes Flugzeug verursacht eher einen Schalldruckpegel von 130 dB und liegt damit über der Schmerzschwelle.

    Leise winkend

    Dirk Lüdicke

  • TS
    Thomas Sch.

    Jawoll, alle Autos, Laster und Moppeds raus aus der Stadt. Wir gehen alle wieder zu Fuß. Die Lebensmittel werden dann wahrscheinlich von Hubschraubern abgeworfen und wer die Stadt mit Sack und Pack verlassen will, stellt einen Ausnahmeantrag zur Benutzung des Autos bei der Behörde zur Genehmigung von Emissionsbewirtschaftung. Dort kann man dann nach Zahlung einer Umweltverschmutzungsgebühr die Erlaubnis erhalten, das Auto auf ganz bestimmten Wegen und zu ganz bestimmten Zeiten in Absprache mit der Umweltkontrollbehörde zu benutzen. Ja, liebe Leute. So wird das in Deutschland gemacht. Ob links, ob rechts, ob grün, ob braun: Ausweise, Genehmigungen, Erlaubnisse, Behörden, Kontrolle. Das ist durchgängig von der Reichsgründung über die Kaiser- und Nazizeit hinweg deutsches Wesen. Da machen die Biojohurtmümmler keine Ausnahme. Fängt ja schon alles wieder an: Bist du anders als der Mainstream, kann es sein, daß du und dein Klub keine Gastwirtschaft mehr findet, wo ihr euch treffen dürft. Auch schon früher gab es mal eine Zeit, wo dunkel gekleidete Horden diejenigen drangsalierten, die abweichende Meinungen hatten. Damals waren es Faschisten, heute nennen sie sich Antifaschisten. Sogar der Name ist fast gleich geblieben. Und die Methoden auch. Fehlt nur noch, daß die Autobenutzung populistisch genannt wird. Und das Wort "populistisch" - da täusche man sich nicht - wird in der Verwendung von "Achtung, naziähnlich" gebraucht. Achten Sie mal drauf. Tja, der pöse, pöse Autoverkehr.

  • Y
    Yadgar

    LALÜÜÜÜ-LALAAAA LALÜÜÜÜ-LALAAAA ummmz-ummmz-ummmz-ummmz rööööööööööööööhr kläff kläff kläff LALÜÜÜÜ-LALAAAA fiep fiep fiep fiep fiep wääääääääh ummmz-ummmz-ummmz LALÜÜÜÜ-LALAAAA LALÜÜÜÜ-LALAAAA LALÜÜÜÜ-LALAAAA kläff kläff röööööööööööööhr usw. usf.

     

    So geht das nahezu 24 Stunden täglich, 7 Tage die Woche rund um mein Wohnklo... schlafen bei offenem Fenster ist seit Jahren schon nahezu unmöglich, und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es nur daran liegt, dass ich in den letzten fünf, sechs Jahren so viel lärmempfindlicher geworden sein sollte!

     

    Das Siemens-Elektronik-Zweigwerk nebenan, das 2006 abgerissen und durch eine ausgedehnte Reihenhaussiedlung ersetzt wurde, machte sich jedenfalls seinerzeit praktisch nie akustisch bemerkbar.

     

    Sicherlich hat durch die Siedlung der Verkehr in meiner Nebenstraße zugenommen, das erklärt aber nicht, wieso heutzutage jeder 08/15-Mittelklassewagen dank Sound Engineering ab Werk und/oder privatem Tuning wie ein Porsche röhren muss, und auch nicht, wieso zu fast jeder Tages- und Nachtzeit Scooter-Kiddies mit ihren Pubertätshelikoptern am Haus vorbeiknattern.

     

    Ebensowenig erklärt die erhöhte Bevölkerungsdichte die epidemisch um sich greifende Anschaffung immer größerer und lauterer Hunde (wenn es wenigstens Afghanen wären, die bellen fast nie)...

     

    Was ich aber absolut nicht begreife, ist das allgegenwärtige Martinshorngeplärr von der wenig mehr als 50 Meter entfernten Friedrich-Karl-Straße - eine Zeitlang vermutete ich demonstrative Als-ob-Einsatzfahrten der örtlichen Polizei (nach dem Motto »Wir tun was!«), nach näherer Betrachtung vor Ort scheint es sich aber weit überwiegend um Notarztwagen zu handeln. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Friedrich-Karl-Straße vor 10 oder gar mehr Jahren schon so häufig von Rettungsfahrzeugen befahren wurde... sind die Menschen hier und im weiteren Umkreis innerhalb eines Jahrzehnts im Durchschnitt so viel gebrechlicher und kränker geworden, dass Daueralarm herrscht?

     

    Dieses Scheiß-Köln wird immer lauter!!!