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Lärm-Aktivistin im Interview"Unsere Ohren schlafen nachts nicht"

Fluglärm mache krank, sagt Gerda Noppeney. Im Interview warnt die Internistin vor erhöhtem Herzinfarktrisiko, Übergewicht und Lernschwäche bei Schulkindern.

Schädlicher Fluglärm: Flugzeug über dem Flughafen Köln-Bonn. Bild: imago/imagebroker

taz: Frau Noppeney, weshalb ist nächtlicher Fluglärm gesundheitsschädlich?

Gerda Noppeney: Die nächtliche Störung durch Lärm ist gravierend, denn unsere Ohren schlafen auch in der Nacht nicht. Die Erregung, die ein Schallsignal erzeugt, geht vom Ohr ins Gehirn, und sie hat Einfluss auf das gesamte Nervensystem.

Welche Krankheiten werden damit provoziert?

Nächtlicher Fluglärm ist Stress für das Herz-Kreislauf-System, das haben große Studien gezeigt, zum Beispiel von der Weltgesundheitsorganisation und in der Berner Studie. Fluglärm führt zu Bluthochdruck und damit zu mehr Herzinfarkten und mehr Schlaganfällen. Ich hatte Patienten mit Bluthochdruck, die keiner Risikogruppe - etwa Übergewichtige oder Raucher – angehörten. Allerdings waren sie Fluglärm ausgesetzt.

Dabei muss es keinen kausalen Zusammenhang geben.

Selbstverständlich können Krankheiten auch immer andere Ursachen haben. Allerdings wurden in großen Studien zum Fluglärm soziale Faktoren, die ebenfalls Ursachen für Krankheiten sein können, systematisch herausgerechnet. Außerdem ist eine klassische klinische Studie zum Thema Fluglärm ethisch nicht vorstellbar: Ich kann ja keinen Menschen zehn Jahre lang in einen Raum einsperren und ihn jede Nacht flugzeugähnlichem Lärm aussetzen, um am Ende zu sehen, welche Schäden er davonträgt.

Bild: Archiv
Im Interview: Dr. Gerda Noppeney

Jahrgang 1940, ist Internistin. Sie engagiert sich in der Ärzteinitiative für ungestörten Schlaf in der Region Köln/Bonn und ist Mitglied in der bundesweiten Bundesärztearbeitsgemeinschaft gegen Fluglärm.

Also kann man das gar nicht beweisen?

Doch. Denn ein Schalltrauma – also Hörschäden durch Presslufthammerlärm oder Diskobesuche – lässt sich leicht diagnostizieren. Folgeschäden fortgesetzter Lärmbelastung aber zeigen sich nach 5 bis 15 Jahren.

Viele Betroffene sagen, der Lärm störe sie nicht, weil sie sich daran gewöhnt hätten.

Der Lärm schädigt die Menschen unabhängig vom subjektiven Empfinden. Auch wer trotz Lärm durchschläft, leidet unter den Folgen.

Sind Kinder gefährdet?

Studien zeigen, dass lärmbelastete Kinder in der Schule unter Konzentrations- und Lernschwäche leiden. Sie sind weniger belastbar und stressanfälliger als andere Kinder.

Was sagen Sie den direkt betroffenen Menschen?

Wer dem Lärm nicht entkommen kann, sollte nachts das Fenster schließen. Und: Auch wenn es unangenehm ist, kann es hilfreich sein, mit Ohrstöpseln zu schlafen. Viel wichtiger aber ist, dass wir die Ursachen des Lärms bekämpfen, und die sind an Flughäfen der Flugbetrieb. Es muss unbedingt eine Kernruhezeit geben, damit sich die Anwohner nachts regenerieren können. Deshalb fordern wir einen aktiven Schallschutz und ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr.

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2 Kommentare

 / 
  • CF
    Contra Fluglärm

    Nicht nur der Dauerlärm an Nachtflughäfen ist schädlich. Wenn man in jeder Stunde auch nur ein einziges Mal aufgeweckt wird, ist das genauso schädlich, sogar erinnerlich und subjektiv spürbar belastend. Angenommen, ein Erwachsener geht um 23.00 Uhr ins Bett, braucht fünf Minuten zum Einschlafen, um 23.30 Uhr landet ein Flugzeug. Resultat: Wach. Um 0.30 Uhr startet das Flugzeug wieder. Resultat: Wieder wach. Vielleicht klappt das Einschlafen wieder in fünf Minuten, dann schläft er bis 1.30 Uhr, dann landet das nächste Flugzeug. usw. spätestens nach dem dritten Wecken ist an Einschlafen nicht mehr zu denken. Das Herz rast. Und man weiß: Morgen Nacht genauso...

    Das macht schon in kürzester Zeit krank. So ein Mensch ist bald nicht mehr arbeitsfähig. In Deutschland ist zu viel Fluglärm, Nachtfluglärm muss eingedämmt werden. Und Provinzfürsten mit Regionalflughäfen, die die Fehler wiederholen wollen, die andernorts schon gemacht wurden, sollten zur Vernunft kommen. In Lübeck versuchen politische Gruppierungen gerade einen nicht rechtskräftig planfestgestellten Flughafen als Ausweichflughafen für Hamburg zu etablieren. Billigflieger werden mit Vergünstigungen angelockt und ein Nachtflugverbot soll möglichst umgangen werden. Frachtflüge sind ebenso angedacht. Traurig aber wahr. Überall kämpfen Menschen gegen Nachtfluglärm, in Lübeck wird dieser gerade rücksichtslos gefordert!

  • S
    siegfried

    6 Jahre lange habe ich unter Fluglärm im Rhein-Main-Gebiet gelitten. Morgens um 4:30 Uhr dröhnte der erste Flieger über unser Haus und das im 20-Sekunden-Takt. Oft war erst gegen 23:30 Uhr Ruhe. Im Durchschnitt hatte ich nicht mehr als 5 Stunden Schlaf durch diese Ruhestörung.

    Die Folgen kamen schleichend: Depressionen, Agressionen, Kreislaufprobleme, andauernde Nervosität, Konzentrationsschwäche.

    Als ich endlich dahinter kam was mich krank machte, verließ ich Deutschland für 2 Jahre. In der ersten Zeit im Ausland habe ich fast täglich 12 Stunden geschlafen. Es hat lange gedauert, bis ich wieder in der Balance war.

    Nun bin ich seit einem Jahr wieder zurück in Deutschland und staune über das fromme Verhalten seiner Bürger. "Ist ja alles gar nicht so schlimm", mußte ich mir anhören.

    Inzwischen sind viele aufgewacht und glauben nicht mehr alles, was man ihnen so über Arbeitsplätze und sonstige Dringlichkeiten am Flughafen, erzählt.

    Deshalb wird auch die Demo gegen Fluglärm am Samstag, 22.10.2011 um 11:00 Uhr am Hbf Mainz ein voller Erfolg werden. Letztendlich wacht jeder mal auf. Früher oder später!