Längere Speicherfrist von Videomaterial: 96 Stunden Überwachung in Berlin
Der Berliner Senat möchte zukünftig Videomaterial der BVG doppelt so lange wie bisher speichern. Rechtliche Fragen bleiben offen.
Bei Straftaten und Unfällen sollen die Aufnahmen bei der Beweissicherung helfen. Obwohl die Speicherung und Auswertung der Aufnahmen strengen Datenschutzregeln unterliegt, äußert Klaus Lederer Zweifel. Durch die Einführung allgemeiner Videoüberwachung seien Menschen nicht vor Gewalt geschützt. „Bislang ist die Wirksamkeit und Effektivität der Videoüberwachung im ÖPNV nicht unabhängig evaluiert“, sagt Lederer. Über den entscheidenden Zusammenhang zwischen Anzeigeverhalten, dem Zeitpunkt der Anzeigen und realen Strafverfolgungsergebnissen einerseits und der Dauer der Speicherfrist andererseits scheine der Senat nichts Belastbares sagen zu können.
Wirksamkeit unklar
Aus der Anfrage ginge auch hervor, dass die sachliche Begründung des Senats für eine Verlängerung auf dünner Basis stehe, sagt Lederer. Da eine Verlängerung ein Eingriff in die Grundrechte darstellt, müsse diese gut legitimiert sein.
Derweil hofft der Senat, mit einer Kampagne, die Verwertbarkeit der Aufnahmen zu verbessern. „Dir bleiben nur 48 Stunden, Schlaf keine Nacht darüber“ so lautet die Botschaft der Kampagne, welche sich gezielt an queere Menschen richtet. Der Senat finanziert diese mit Restmitteln aus dem vergangenen Haushaltsjahr.
Die Kampagne war eine Empfehlung des runden Tisches „Schutz vor queerfeindlicher Hasskriminalität“ als eine Maßnahme, das Sicherheitsgefühl von queeren Menschen zu stärken.
Mit der Kampagne soll auf das kurze Zeitfenster aufmerksam gemacht werden, da die Erfahrung zeige, dass viele Menschen die Gewalt erst nach mehreren Tagen zur Anzeige bringen, heißt es in einer Anfrage.
Vorwurf der Symbolpolitik
Lederer sieht die Kampagne als „Symbolpolitik“. Ihm scheint es, als ob der Senat mit den realen Ängsten von queeren Menschen bewusst spiele, um weitere Grundrechtseinschränkungen vorzunehmen.
Statt auf den rechtlich fragwürdigen Ausbau der Videoüberwachung solle sich der Senat mehr auf Präventionsarbeit fokussieren. „Wir wissen, was im präventiven Bereich getan werden müsste. Wir wissen auch, dass die Polizei den Weg weitergehen muss, ihre Strategien und Strukturen mit Blick auf den Schutz queerer Menschen auszurichten.“ sagt der ehemalige Kultursenator.
Ein Beispiel, bei dem ein längeres Zeitfenster für die Sicherung des Videomaterials auch sinnvoll sein kann, ist der Fall von Zefanias M. Er wurde Ende 2019 von Polizeibeamt:innen über neun Minuten lang in einer Kniefixierung im U-Bahnhof Herrmannstraße gehalten.
Auf Hinweis eines Freundes, der bei der Polizei arbeitet, beantragte M. die Sicherung der Filmbänder bei der BVG, da er sonst keine Möglichkeit hätte, gerichtlich gegen die Polizist:innen vorzugehen. Die Videobänder bilden einen zentralen Teil im Gerichtsprozess, den Zefanias M. gegen das Land Berlin eröffnet hat.
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