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Länderspiel-AbsageWenn das Private politisch wird

Kommentar von Stefan Osterhaus

Dass der Fußballspieler Ashkan Dejagah nicht in Israel antreten will, löst einen Skandal aus und bringt den DFB in die Zwickmühle.

Geht es nur um den Ball? Oder doch um die Wurst? Bild: dpa

A shkan Dejagah, ein 21-jähriger Mittelfeldspieler des VfL Wolfsburg, der über deutsche und iranische Ausweispapiere verfügt, steckt in einer Zwickmühle. Am Freitag, wenn die deutsche U-21-Nationalelf gegen Israel in Tel Aviv aufläuft, wird er, obwohl ursprünglich nominiert, fehlen. Der Bild-Zeitung soll er gesagt haben, dass dies politische Gründe habe. Offiziell aber liess er erklären, dass es familiäre Ursachen hat, dass er nicht dabei sein wird. Doch nun wird der Fall Dejagah zur Staatsaffäre.

Charlotte Knobloch, die Präsidenten des Zentralrates der Juden, forderte seinen Ausschluss aus allen Deutschen Nationalmannschaften, weil Dejagah "zutiefst unsportlich" gehandelt habe, denn gerade der sportliche Wettkämpfe "überwinden politische Spannungen". Der Skandal ist perfekt, Israel durch einen deutschen Auswahlspieler brüskiert. Doch die Absage - und das verleiht der Situation eine zutiefst schizophrene Note - formulierte Dejagah nicht als Deutscher. Er tat es als Iraner, der die antisemitische Staatsdoktrin befolgte, die den Bürgern die Anerkennung Israels verbietet. Fürsprecher Dejagahs verweisen nun auf ein enges familiäres Geflecht, das bis nach Teheran reicht, wo Dejagahs Bruder Fussball spielt. Die Angst vor Represalien gegen den Bruder könnte eine Rolle spielen. Der Vater, der, milde formuliert, ein etwas konservativer Mann bezüglich muslimischer Wertvorstellungen sein soll, habe für den Sohn entschieden - wie so oft, wenn es um wichtige Fragen im Hause Dejagah geht.

Die Vorgänge im Haus Dejagah beschäftigen nun allerhöchste Kreise. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla meint, "wer Deutschland im Nationaldress vertritt, muss sich zu unserer durch Geschichte und Kultur geprägten Gemeinschaft bekennen". Grünen -Politiker Volker Beck findet Dejagahs Verzicht immerhin "nachvollziehbar und legitim".

DFB-Chef Theo Zwanziger, ein Mann, der sich den Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus auf die Fahnen geschrieben hat, dagegen hält das Verhalten des Deutsch-Iraners nicht für tolerierbar. Man habe "Dejagahs Entschuldigung zu schnell akzeptiert", sagte der DFB-Präsident, und will nun in einem Gespräch mit dem Spieler "nachfragen und nachbohren". Ehe man sich anders besann und Dejagah nun nicht mehr ausschliessen will, war aber auch im DFB über harte Strafen nachgedacht worden - eine leicht fragwürdige Reaktion. Hatte nicht der DFB Dejagahs Begründung zuerst klaglos akzeptiert? Und hätte nicht der Verband Dejagah alle Erklärungen abnehmen können, indem einfach auf seine Nominierung verzichtet worden wäre? Vor allem aber: Wie will der DFB nun mit dem Fall Dejagah umgehen, da er eine politische Dimension bekommen hat?

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11 Kommentare

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  • D
    Dennis

    Ich stell mal die (nicht ganz ernstgemeinte) Frage, was passiert, wenn der Iran erklaert, dass Ihre Staatsbuerger nicht mehr gegen die USA, Daenemark und andere Hassbilder Fussball spielen duerfen. Ich stelle mir vor, Deutschland spielt (mit dem A-Nationalteam) bei der Weltmeisterschaft 2010 im 1/2-Finale gegen einen vom Iran schwarzgelisteten Gegner und Ashkan hat sich bis dahin zu einem Fuehrungsspieler der Adlerhemden gemausert. Scheisst er dann auf seine Familie oder wird er oeffentlich verbrannt oder wie laeuft das dann?

  • K
    Klaus

    In der Nationalmannschaft zu spielen stellt eine Ehre für jeden Spieler dar. Es ist deshalb auch selbstverständlich, dass ein Spieler, der so gut ist, dass er für die Nationalmannschaft aufgestellt wird, die Möglichkeit auch nutzt und am Spiel teilnimmt.

    Der Konflikt liegt in der doppelten Staatsbürgerschaft begründet. In dieser Situation muss der Spieler sich entscheiden, ober er die eine oder die andere Staatsangehörigkeit bevorzugt. Diese Entscheidung steht ihm frei und ich werde mir kein Urteil dazu erlauben. Aber ich bin der Meinung, dass nach so einer Entscheidung dann auch nur eine Staatsangehörigkeit gelebt werden kann.

    Deshalb fände ich es nur konsequent, wenn der Spieler die Deutsche Staatsangehörigkeit und die Mitgliedschaft in der Nationalmannschaft ablegte.

    Ich möchte noch weiter gehen:

    Der Spieler hat sich erpressen lassen, von den Forderungen und Drohungen des iranischen Staates. Ich kann und will das nicht bewerten, aber eine Frage sei erlaubt:

    Kommt nicht den Menschen, die so viel Glück gehabt haben wie dieser Spieler eine besondere Verantwortung zu in solchen Situationen ein besonderes Maaß an Zivil - Courage zu zeigen?

  • T
    tim

    Wenn Löw sagt ein Spieler müsse sich für ein Land entscheiden und zwar gänzlich, ist das meiner Meinung nach das dämlichste was man aus Sicht einer vernünftigen Integration sagen kann.

    Soll Dejagah seine Familie im Iran verstoßen?

     

    Würde mich interessieren wie das mit deutsch-israelischen Spielern aussieht bei Freundschaftsspielen im Iran etc.

     

    Aber was ich letztendlich am Traurigsten finde, ist die Tatsache, dass Dejagah dafür bestraft wird, dass er ehrlich war, jetzt sagen alle, er hätte wie andere vor ihm einfach ne Verletzung vortäuschen sollen...

  • D
    Domas

    Ja,

    armer Kerl das ist Deutschland.

    Sie lieben Klose, Podolski, Ballack, Schneider und Asamoah. Aber wehe, sie sagen ihre nicht nicht-opportune Meinung.

    Sport ist Sport und die Motive sind vielfältig.

    Hinter jedem Sportler steckt ein Mensch und oft in Deutschland mit Migrationshintergrund.

    Wir stören uns doch auch nicht, wenn russlanddeutsche Spitzensportler Medaillen holen und russisch untereinander sprechen und die dt. Kultur verabscheuen.

    Deutschland hat ein Integrationsproblem und das tritt hier wieder zu Tage.

    Übel diese braune Kotze.

  • MP
    Matthias Pilling

    Anstelle der nun stattfindenden medialen Dresche, die der Spieler erfährt, hätte man versuchen sollen, sich in dessen Situation zu versetzen. Von einem 21-jährigen zu erwarten sich möglicherweise im Sinne der Außendarstellung des deutschen Fußballs mit seiner Familie zu überwerfen erscheint mir übertrieben. Den Spieler gleich mit Begriffen wie "Juden-Boykott" in Zusammenhang zu bringen, ist der Situation absolut nicht angemessen. Kläglich wirkt hier die Kommunikations-Politik des DFB, die es zulässt, dass ein so junger Spieler derart ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit gerät. Auch die Medien stehen hier in der Verantwortung sich über die offensichtlich gute Verkaufbarkeit solcher Schlagzeilen hinwegzusetzen und den eindeutig im Zwiespalt zwischen Karriere und Privatleben stehenden jungen Mann zu schützen.

  • H
    Hank

    Warum ist es eigentlich so schwierig dieses Thema einigermaßen ordentlich zu recherieren? Nachdem der Tagesspiegel aus Berlin, Dejagah unterstellt hatte, er wolle sich mit dem Regime in Teheran gutstellen, weil er eine Karriere in der iranischen Nationalmannschaft anstrebe, schreibt nun die TAZ, Dieter Eilts habe einen Fehler begangen, indem er Dejagah überhaupt nominierte. Fakt ist, dass Dejagah laut FIFA Statuten nicht mehr für den Iran spielberechtigt ist und Eilts ihn niemals für die Partie gegen Israel nominiert hatte. Die Absage fand bereits im Vorfelde statt!

     

    Dieser Fall ist nur in die Öffentlichkeit gelangt, da einige ( BILD-) Journalisten eine Story witterten und Dejagah mit diesbezüglichen Fragen konfrontieren. Dass er den BILD-Leute seine persönlichen Gründe nicht auf die Nase binden wollte, sollte sich einem eigentlich erschließen, wenn man bedenkt, dass es ihm wohl darum ging seine Anghörigen zu schützen und weiterhin ungehindert in den Iran anreisen zu können. Aber diese naheliegende Erklärung hat halt kein "Schlagzeilenpotential"

     

    Dass nun Politiker wie Pofalla und Pflüger dieses Thema politisch instrumentalisieren wollen und die Diskussion in Richtung "Integrationsproblematik" lenken und dass deren Anhänger in den Medien mit Kommentaren und Artikeln im Grundtenor: "Hilfe, wir kapitulieren" ( siehe H.M. Broders Buch ) nachlegen, ist überaus ärgerlich, denn es verkennt den Umstand, dass im U21 Kader für das Israel-Spiel 8 Spieler mit einem sog. "Migrantionshintergrund" stehen - darunter 3 Moslems ( Özil, Özbek, Khedira ) über die in den Medien natürlich nicht berichtet wird!

  • RM
    Ramin Massarrat

    Wenn Ashkan Dejagah gegen Israel antreten bzw. dort einreisen würde, könnte er seine Familie im Iran nicht mehr besuchen, darum geht es hauptsächlich. Wäre er kein Prominenter, könnte er mit seinem deutschen Pass dort einreisen, ohne daß jemand im Iran sich daran stören würde. Wäre... Der Zentralrat täte gut daran, seine Propaganda-Show nicht auf dem Rücken eines 21-Jährigen auszutragen, in dem man ihm das Recht abspricht, seine Familie besuchen zu dürfen.

  • EB
    Ein Besucher

    Ich kann mich Tobias Günther nur anschliessen. Wenn jemand nicht in Israel spielen will, dann ist das sein Bier (Gründe gibt es schliesslich genug) und der Zentralrat der Judan hat damit überhaupt nix zu schaffen. Ich finde es ehrlich gesagt nervend dass dieses kleine Grüppchen nicht nur zu allem seinen Senf dazugbibt sondern dass dieser auch noch in den Medien wiedergegeben wird.

  • U
    Uvloff

    Martin Luther King:

     

    "Mein Freund, du erklärst, dass du die Juden nicht hasst, dass du nur Antizionist bist. Und ich sage dir, lass die Wahrheit von den höchsten Bergspitzen erklingen, lass ihr Echo durch die Täler von Gottes grüner Erde hallen: Wenn man den Zionismus kritisiert, dann meint man die Juden - das ist Gottes Wahrheit? Antisemitismus, der Hass auf das jüdische Volk, war und bleibt der Fleck auf der Seele der Menschheit. Darin stimmen wir vollständig überein. Also wisse auch dies: Antizionismus an sich ist antisemitisch und wird es immer bleiben."

     

     

    P.S. @Tobias Günther - Deine Meinung vertritt die NPD auch.

  • WB
    Werner Blot

    Es sollte hier schon unterschieden werden, ob ein Spieler sagt, er spiele nicht gegen den Staat Israel, weil er den Staat zu vernichten sei (dann gehört er aus der Bundeliga ausgeschlossen), oder ob der Spieler deswegen, weil er Angst um seine Familie hat, nicht mitspielt (das kann ich akzeptieren). Also: Nicht erst die Axt, sondern vorher nachdenken.

  • TG
    Tobias Günther

    Ob ein Spieler für eine DFB-Elf nominiert wird ist immer und ausschließlich Sache des DFB. Ich finde es eine Unverschämtheit, dass sich die Vertreter des Zentralrats der Juden in diese Angelegenheit einmischen und offen vom DFB verlangen, den Spieler hinauszuwerfen. Selbst in Israel wird dieser Vorgang nicht so hoch gekocht. Vielleicht sollte sich der Zentralrat ein wenig von der Gelassenheit der Glaubensbrüder abschauen bevor das nächste mal wieder gebellt wird.