Länder-Vorstoß: Härtere Strafen für rechtsextreme Täter
Knast statt Bewährung: Sachsen-Anhalt und Brandenburg wollen Gesetze gegen rechte Straftäter verschärfen. Andere Länder halten das für Populismus.
Es war ein typisches Ende - das es bald so nicht mehr geben soll: Fünf Rechtsextreme wurden im März wegen der öffentlichen Verbrennung des "Tagebuchs" der Anne Frank im sachsen-anhaltinischen Pretzien zwar schuldig gesprochen. Doch trotz einer Haftstrafe von neun Monaten spazierten sie nach dem Urteilsspruch mit den freigesprochenen Kumpels nach Hause. Denn der Richter hatte die Strafe zur Bewährung ausgesprochen. Das ist bei nicht vorbestraften Tätern die Regel. Eine Regel, die womöglich bald der Vergangenheit angehört. Zumindest wenn es nach den Regierungen von Sachsen-Anhalt und Brandenburg geht.
Denn die Justizministerinnen der beiden Länder, Angela Kolb (SPD) und Beate Blechinger (CDU), wollen das Strafgesetzbuch an drei Stellen ändern und so für rechtsextreme Täter schärfere Regeln schaffen. Die beiden Länder lagen in der Statistik rechter Straftaten zuletzt ganz vorn. Die Initiative soll am Mittwoch in Berlin vorgestellt und dann im Bundesrat eingebracht werden.
Ob die Ministerinnen eine Mehrheit in der Länderkammer finden, ist ungewiss. Mehrere Länder, darunter Mecklenburg-Vorpommern, hätten bereits Zustimmung signalisiert, sagte die Sprecherin des Magdeburger Justizministeriums der taz. Andere jedoch halten den Vorstoß für überflüssig.
Nach Ansicht der Initiatorinnen kommen rechtsextreme Täter zu oft mit Geld- oder Bewährungsstrafen davon. Deshalb wollen sie Paragraf 56 des Strafgesetzbuchs so ändern, dass bei rechtsmotivierten Taten kurze Haftstrafen künftig in der Regel ohne Bewährung ausgesprochen werden. "Die Erfahrung zeigt, dass eine Bewährungsstrafe von vielen Tätern als Freispruch gewertet wird", erläutert Kolbs Sprecherin. Zudem solle Paragraf 47 so geändert werden, dass rechte Täter statt einer Geldstrafe häufiger eine kurze Freiheitsstrafe von bis zu einem halben Jahr bekommen.
Außerdem wollen die Ministerinnen Paragraf 46 ergänzen, damit Richter bei der Strafzumessung künftig explizit überprüfen und berücksichtigen müssen, ob der Angeklagte die Tat aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder antisemitischen Gründen verübt hat.
"Die Reform würde keine zusätzlichen Straftatbestände schaffen", versichert die Sprecherin des Magdeburger Justizministeriums. "Es geht nur um eine Rechtsverdeutlichung. Theoretisch kann ein Richter das heute auch schon so umsetzen."
Eben das stört die Kritiker des Vorstoßes, darunter die Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD). "Wir brauchen keine härteren Strafen, man muss die Bestehenden nur anwenden", sagt deren Sprecherin. Sie warnt zudem davor, ein "Gesinnungsstrafrecht" zu schaffen. Auch bei Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) stößt die Initiative nicht auf Begeisterung. Man werde die Vorschläge natürlich "prüfen", sagt ihr Sprecher. "Grundsätzlich sehen wir die Rechtslage aber als ausreichend an."
Verhalten fällt bisher auch das Echo jener aus, die Kommunen und Schulen im Umgang mit Rechtsextremen beraten oder sich um die Opfer rechter Straftaten kümmern. "Ich erwarte mir davon nicht viel", sagt der Rechtsextremismus-Fachmann David Begrich vom Verein Miteinander in Magdeburg. Natürlich wäre es erfreulich, wenn die Justiz den rechtsextremen Kontext von Straftaten künftig stärker berücksichtigen würde. "Aber härtere Strafen sind nicht automatisch die bessere Lösung." Entscheidend sei, dass Staatsanwälte und Richter überhaupt einen Sinn für die Problematik hätten und dass die Verfahren zügig durchgezogen würden.
"Wir brauchen keine Gesetzesverschärfung", sagt Ulf Bünermann von der Beratungsstelle Opferperspektive in Potsdam. Seine Initiative habe das Ministerium auch nicht zu dem Vorstoß aufgefordert, versichert Bünermann: "Wir sind überhaupt nicht gefragt worden."
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