Lacrosse wird olympisch: Pocket, Stick – und Respekt
US-Präsident Biden fordert, dass bei Olympia 2028 in L.A. ein Team der „Haudenosaunee Nationals“ antritt. Doch das IOC sperrt sich.
Im Sommer 2023 haben sie noch Bronze bei der Weltmeisterschaft gewonnen, doch 2028, wenn ihre Sportart Lacrosse erstmals nach 120 Jahren wieder olympisch wird, darf das Team nicht mitmachen. So sieht es das Internationale Olympische Komitee (IOC), das sich gegen eine Teilnahme der „Haudenosaunee Nationals“ an den Spielen 2028 in Los Angeles ausspricht.
US-Präsident Joe Biden hingegen plädiert dafür, dass die Haudenosaunee eigenständig antreten dürfen. „Ihnen sollte eine Ausnahme gewährt werden, damit sie ein eigenes Team bei den Olympischen Spielen stellen können“, hat Biden im Dezember auf dem „Tribal Summit“ in Washington gesagt, dem Gipfel der indigenen Nationen Nordamerikas. Haudenosaunee ist die Eigenbezeichnung des Volkes, das früher „Irokesen“ gerufen wurde. Ihr Territorium liegt in den USA und Kanada: von New York bis zum Ontariosee. „Ihre Vorfahren haben das Spiel erfunden“, sagt Joe Biden nun, „sie haben es über tausend Jahre hinweg perfektioniert.“
Bislang zählt Lacrosse zum Programm der World Games. Das sind die Weltspiele der nichtolympischen Sportarten. Sie werden unter der Schirmherrschaft des IOC ausgetragen – nach dessen Regeln. Als 2022 die World Games in Birmingham im US-Staat Alabama stattfanden, wurden die Haudenosaunee Nationals folglich nicht eingeladen. Doch für sie verzichtete Irland. Der irische Verbandspräsident Michael Kennedy wollte sich durch diese Geste für das „Geschenk“ bedanken, das die Haudenosaunee mit diesem Sport der Welt gegeben hätten. So gelang den Haudenosaunee mit einem Frauen- und einem Männerteam, was ihnen das IOC jetzt verwehrt: die Teilnahme am Weltsport.
Lacrosse ist ein Spiel mit einem Hartgummiball und einem Schläger, einem sogenannten Stick, der ein Pocket aufweist, ein taschenartiges Netz. Mit diesem Stick soll der Ball ins gegnerische Tor befördert werden.
Historisch ist Lacrosse ein Spiel verschiedener nordamerikanischer indigener Völker. Ob seine Wurzeln ins 15. oder gar ins 11. Jahrhundert hineinreichen, ist nicht geklärt, und auch über die Herkunft des Wortes Lacrosse gibt es verschiedene Theorien, vermutlich stammt es von einem französischen Missionar. In jedem Fall aber gehört Lacrosse zu den wenigen Fällen, in denen ein indigenes Spiel zu einer reglementierten Sportart wurde. Während meist ein Sportexport – etwa von Fußball, Cricket oder Baseball – in kolonisierte Länder stattfand, nahmen sich in diesem Fall europäische Siedler in Kanada des Lacrosse an.
Lange Geschichte und viel Rassismus
1844 fanden die „Jeux olympiques en Montreal“ statt. Damals wurden oft aus einer Griechenbegeisterung heraus Sport- und Spielfeste mit dem Begriff „olympisch“ versehen. Am ersten Tag spielten nur weiße Siedler für sich, am zweiten Tag Native Americans untereinander, und am dritten Tag spielten beide gegeneinander. Eine Zeitung schrieb damals: „Dieses Spiel wurde zugunsten der ‚roten Männer‘ entschieden, die im Lacrosse-Spiel eine weitaus größere Geschicklichkeit zeigten als ihre weißen Brüder, obwohl sie den Verlierern an Beweglichkeit und Schnelligkeit sicherlich unterlegen waren.“
1869 veröffentlichte der Zahnarzt William George Beers das Buch „Lacrosse: The National Game of Canada“. Er vereinheitlichte die unterschiedlichen Formen des Spiels und legte verbindliche Regeln fest. So wurde aus dem Spiel ein Sport. Zunächst nur für Männer, später auch für Frauen – und in Kanada sehr populär.
Olympisch wurde Lacrosse auch: 1904 in St. Louis nahmen drei Teams aus zwei Staaten teil. Eine Mannschaft aus kanadischen Einwanderern, die Winnipeg Shamrocks, gewann Gold, Zweite wurden die USA, und die Bronzemedaille ging an eine weitere kanadische Mannschaft, die man damals „Mohawk Indians“ nannte. Es war eine Auswahl der Six Nations of the Grand River. 1908 in London war Lacrosse wieder bei Olympia, dann war erst mal Schluss.
Seit den 1870er Jahren wurden gerade Native Americans von Geschäftsleuten gern auf profitable Tournee zu Demonstrationsspielen geschickt. Auch nach Übersee reisten Spieler. Im August 1879 trat eine Gruppe Mohawks in Hannover, Dresden und Leipzig auf. „Rothäute in Deutschland“ lautete eine Zeitungsschlagzeile.
In dieser rassistischen Tradition steht die jüngste Kampagne der Haudenosaunee Nationals gerade nicht. „Wenn wir erfolgreich sind, wird es nicht nur die Flagge der Haudenosaunee-Konföderation sein, die bei den Olympischen Spielen weht, sondern die Flagge der indigenen Völker in der ganzen Welt“, sagt Tom Perez, Berater von Joe Biden.
Die Haudenosaunee hatten sich an das Weiße Haus gewandt, nun arbeiten die USA mit der kanadischen Regierung zusammen, um die Haudenosaunee zu Olympia zu bringen. Das IOC hingegen stellt sich stur. Es obliege nur dem kanadischen und US-amerikanischen Nationalen Olympischen Komitee, „zu entscheiden, ob sie Athleten der Haudenosaunee in ihre jeweiligen Teams aufnehmen“.
Dafür aber ist das Team, das doch schon WM-Dritter ist, nicht zu haben. „Das ultimative Ziel ist es, dass die Haudenosaunee eine Goldmedaille gewinnen“, sagt Leo Nolan, Chef des Teams. Die Unterstützung des Lacrosse-Weltverbands und des Organisationskomitees der 2028-Spiele in Los Angeles haben sie schon. Und die von Joe Biden jetzt auch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos