: Lachen oder nicht...
■ ... war für Lubitsch keine Frage: „Sein oder Nichtsein“ wird wieder gezeigt
Ob seine Komödie ein probates Mittel der Auseinandersetzung mit Nazi-Deutschland sei, stellten US-amerikanische Kritiker bereits Anfang 1942 in Frage. Schon seinerzeit ging es darum, ob das Lachen über die Täter nicht zugleich auch die Opfer verhöhnte. Auschwitz war noch nicht im öffentlichen Bewusstsein, doch Lubitsch – obzwar Jude, galt er den Amerikanern auch aus Deutschland kommend – wurde kritisiert, ob er nicht übers Ziel hinausgeschossen sei. Besonders die Dialogzeile, in der ein Nazi über Hamlet-Darsteller Joseph Tura befindet, „what he did to Shakespeare, we are doing now to Poland“, erregte Missfallen. Lubitsch wollte auf diesen Lacher nicht verzichten und schrieb in der New York Times zu seiner Verteidigung: „Ist Geißeln und Auspeitschen der einzige Weg, Terrorismus zu zeigen? Nein, das amerikanische Publikum lacht nicht über die Nazis, weil sie deren Bedrohung unterschätzen, sondern weil sie sich darüber freuen, diese Neue Ordnung und ihre Ideologie lächerlich gemacht zu sehen.“
In der Tat ist es kaum intelligenter gelungen, tumbe Nazi-Schergen durch den Kakao zu ziehen, sie mit aller komödiantischen Unbekümmertheit der Lächerlichkeit preiszugeben. Nebenbei, auch in „ernsthaften“ Anti-Nazi-Filmen jener Zeit waren Nazis als das personifizierte Böse kaum differenzierter gezeichnet als der viel beschworene Holzschnitt – sind es mitunter ja heute noch. Dennoch, mit dem Wissen um Auschwitz wäre Sein oder Nichtsein kaum vorstellbar, wäre die Leichtigkeit des „Lubitsch Touchs“ mit all seinen erotischen Anspielungen mehr als obszön. Wenn Tura als Hamlet ausgerechnet beim so mehrfachcodierten „to be or not to be“ vom smarten Nebenbuhler aus der Konzentration des Monologs gerissen wird, doppelt getroffen in seinem männlichen Selbstbewusstsein, zeigt Lubitsch sein brillantes Timing, übertroffen nur noch vom Spiel mit den falschen Bärten.
War die Nazi-Komödie nach Auschwitz lange tabu, ist das Genre nunmehr nach Das Leben ist schön und Zug des Lebens wieder verfügbar gemacht. Und Roberto Benigni hat seinen Lubitsch gelernt, wenn er die gebrüllten Order des KZ-Schergen als Spielregeln übersetzt. Für die Zukunft sind gewiss noch einige „funny tales“ solcher Art zu erwarten. Dass der Holocaust dabei ständig mitgedacht wird, ist unhintergehbare Forderung. Dass sie die komödiantische Qualität von Lubitschs Sein oder Nichtsein zumindest ansatzweise erreichen, ein Wunsch. Ein weiterer wäre, dass, neben beherztem Einschreiten, sich auch ein, zwei, drei, ganz viele Lubitschs aufmachten, die heutigen Nazis ins verdiente Lächerliche zu ziehen. Tim Gallwitz
Do und Fr, 17 Uhr, Abaton; Sa 18 Uhr, So 22.30 Uhr, 3001; Di 17 Uhr, Mi 22.30 Uhr, Zeise
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen