LESERINNENBRIEFE :
Ironie vom Feinsten
■ betr.: „Post von verboten“, taz vom 5. 8. 11
Lieber falscher Wagner, wer immer Sie sind: herzlichen Dank für die Ironie vom Feinsten in Ihrer „Post von verboten“. Das Schöne daran ist, dass diese Zeilen buchstabengenau in jener Zeitung stehen könnten, die nichts dabei findet, heute mit großem Bild, vollen Namen und der Tatsache, dass er drei Kinder hat, den Frankfurter Vorsitzenden dem Volkszorn preiszugeben. Und ich wette: Auch die letzte Zeile Ihres Briefes hätte noch Applaus unter manchen Zeitgenossen gefunden. Die Reaktion einiger Politiker und auch Polizeifunktionäre seit vorgestern hat gezeigt, dass es – leider – einfach nicht richtig ist, wenn behauptet wird, niemand bezweifle die fraglose Rechtswidrigkeit des polizeilichen Vorgehens.
Und wenn es denn richtig wäre, dass das Verfahren nicht erforderlich gewesen wäre, da jedermann diese Rechtswidrigkeit anerkenne (so heute die SZ), so fragt sich doch, warum man uns außergerichtlich überall garstig zurückgewiesen hat und es auf die Klage ankommen ließ. Ehrlich: Schon ein kleines außergerichtliches Symbol hätte mich und meinen Mandanten sicherlich ernsthaft zögern lassen, das Verfahren einzuleiten. Aber das Symbol gab es nicht. Und weiter: Wenn dies so klar war, warum war es nötig, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, nachdem das Landgericht und das Oberlandesgericht nicht einmal Prozesskostenhilfe gewähren wollten?
Schließlich: Offenbar nicht einmal die Autorität unseres Bundesverfassungsgerichts scheint ausgereicht zu haben, denn Herr Müller lässt uns in der FAZ wissen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schuld sei (ernsthaft: „schuld“! – „Ist Straßburg schuld“, – so lautet die offenbar ernst gemeinte Überschrift) an dem Durchdringen der Klage. Gut, wenn der Schuldige im Ausland sitzt und so komische blaue Roben trägt. Und es gibt gleich siebzehn davon in der Großen Kammer.
Der Rechtsstaat muss sich bewähren an Fällen wie dem vorliegenden. Und die Reaktionen aus der Politik zeigen, wie dünn der Lack des Rechtsstaatlichen ist, wenn kaum camoufliert offensichtlich verfassungswidrige Parolen von ranghohen Politikern und Polizeifunktionären ohne ein Gran des Zweifels oder Innehaltens in das Land posaunt werden und undifferenzierte Urteilsschelte betreiben, deren Inhalt dem Grundgesetz klar widerstreitet. Wehret den Anfängen! Ich glaube, hier muss man nicht meiner Meinung zum Fallgeschehen sein, um dies bedenklich zu finden.
Jedenfalls: Über die falsche täuschend echte Post habe ich (darf ich das heute?) sehr schmunzeln müssen, sagt
MICHAEL HEUCHEMER, der echte Anwalt vom „bösen Gäfgen“
Schmerzensgeld für die Familie
■ betr.: „Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich“, taz vom 5. 8. 11
Gerecht fände ich es, wenn dasselbe Gericht in Frankfurt Herrn Gäfgen jetzt dazu verurteilen würde, 3 Millionen Euro – wenn das überhaupt reicht – an die Familie von Metzler aus seiner Tasche als Schmerzensgeld zu zahlen. Natürlich mit Zinsen.
HANS HEINRICHE GRAUE, Lauterbach/Hessen
Schwer verständlich
■ betr.: „Wichtiges präventives Signal“, taz vom 5. 8. 11
Die Verteidigung von Gäfgen ist an sich schon für einen schlicht gestrickten Bürger mit durchschnittlichem emotionalen Einfühlungsvermögen schwer verständlich. Die formaljuristischen Überlegungen des Anwalts sind eine Beleidigung und lassen die Tatsache unter den Tisch fallen, dass Gäfgen auf grausame Art ein Kind ermordet hat. Da erlaubt es sich nicht, darüber nachzudenken, ob Folter erlaubt ist! Das würde jede Verhältnismäßigkeit auf den Kopf stellen. INGILD KIND, Hamburg
Grundrecht auf Menschenwürde
■ betr.: „Gerecht, so gut es eben geht“, taz vom 6. 8. 11
„Die Menschenwürde ist unantastbar“, so heißt es in unserer Verfassung. Dieses Grundrecht lässt weder eine Interessenabwägung noch einen Ermessensspielraum zu! Das in einem Rechtsstaat unverzichtbare Grundrecht auf Menschenwürde steht jedem ohne Ansehen der Person oder seiner Taten zu. Es kann weder verwirkt noch aberkannt werden, ohne die Grundwerte einer humanen Gesellschaft infrage zu stellen. Wann begreift man das endlich? Alle anderen Auffassungen führen in die fatale Nähe zum Unrechtssystem des „Dritten Reiches“! Das sollte jedem klar sein! THOMAS HENSCHKE, Berlin
Wir leben in einem Rechtsstaat
■ betr.: „Post von verboten“, taz vom 5. 8. 11
Lieber Franz Josef Wagner, Ihre Kollegen bei der Bild nennen die Entschädigung für den Kindsmörder Magnus Gäfgen ein „Schand-Urteil“. Moralisch gesehen ist die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt sicherlich schwer nachvollziehbar und kaum erträglich, juristisch jedoch korrekt. Wie eine differenzierte und kluge Berichterstattung zu diesem Thema aussehen kann, können Sie z. B. in der taz nachlesen. Die Bild stellt auf Seite 1 die Frage: „In was für einem Land leben wir?“ Die Frage beantwortete ich gern: Wir leben in einem Rechtsstaat. Und darüber sollten Ihre Kollegen bei der Bild froh sein. Würden wir nicht in einem Rechtsstaat leben, hätte man ihnen als Strafe für ihren billigen, populistischen, widerlichen und menschenverachtenden „Journalismus“ mit Sicherheit schon längst die Hände abgehackt. Herzlichst PETER HANSEN