LADENSCHLUSS: GEWERKSCHAFTEN WOLLEN ELTERN HETZEN: Religionsfreiheit nach Feierabend
Sollen deutsche Geschäfte abends geschlossen bleiben, während sie in vielen Nachbarländern geöffnet haben? Bundeskanzler Gerhard Schröder und der Reformerflügel innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion wollen auf diesem Nebenkriegsschauplatz ein wenig Bewegungsfreiheit gegenüber den strukturkonservativen Teilen der Partei zeigen – nach dem Motto: Seht her, wir machen doch nicht alles, was die Gewerkschaften fordern. Verletzt und rituell reagiert diese Klientel sofort. Mit seiner Ablehnung dieser Öffnung demonstriert Michael Sommer, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, wie sich die organisierte Arbeitnehmerschaft der Modernität verweigert.
Längere und flexiblere Ladenöffnungszeiten würden weder zu mehr Arbeit noch zu mehr Konsum führen, meint der DGB-Vorsitzende. Richtig daran ist, dass bisherige Untersuchungen keinen erheblichen Zuwachs der Nachfrage, sondern eine Verlagerung in andere Tageszeiten und zu anderen Geschäften, also eine Neuverteilung der Einnahmen ergeben haben.
Das aber rechtfertigt noch längst keine Krisenszenarien. Langfristig kann eine Ökonomie nur funktionieren, wenn sie den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird – und nicht umgekehrt. Die Bedürfnisse der modernen Wirtschaftsbürger gehen dahin, dass sie möglichst flexibel konsumieren wollen und nicht nur zwischen neun und 20 Uhr. Die Beschäftigten im flexiblen Kapitalismus müssen schon ziemlich hetzen, wenn sie samstagvormittags ausschlafen, frühstücken, die Zeitung lesen, die Kinder fertig machen, die E-Mails abrufen, ein paar Telefonate erledigen und dann bis 16 Uhr den Wochenendeinkauf erledigen müssen. Künftiges Wachstum des gesamten Einzelhandels wird eben doch davon abhängen, ob die Anbieter den Nachfragern ermöglichen, genug Geld auszugeben.
Ratsam ist indes die vollständige Freigabe, 24 Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche, auch wenn die Kirchen schreien. Wann sie welchem Gott huldigen, sollte man den Menschen selbst überlassen. HANNES KOCH
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