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Kurze Wege, neue Jobs

Statt die begehrten Cashews über die Weltmeere zu schippern, wollen Akteure der bio-fairen Produktion sie in Burkina Faso vor Ort verarbeiten: Das verlagert die Wertschöpfung zu den Produzierenden und stärkt den Klimaschutz

Von Dierk Jensen

Anders als unsere Umgangssprache suggeriert, ist die Cashew gar keine Nuss, sondern Kern einer Cashewfrucht. Das tut der Nachfrage keinen Abbruch. So ist Deutschland mit rund 14.000 Tonnen innerhalb der Europäischen Union das wichtigste Einfuhrland. Der mit Abstand größte Exporteur von Cashews ist Vietnam, weit dahinter folgen Elfenbeinküste, Indien, Brasilien und weitere westafrikanische Länder. Darunter auch Burkina Faso, eines der ärmsten Länder der Welt. Die Bauern in dem von mehreren Militärputschen erschütterten Land zwischen Ghana, Togo und Benin im Süden und Mali im Norden erzeugen mittlerweile rund 25.000 Tonnen ­Cashews. Mit steigender Tendenz. Allerdings gelangte der größte Teil der burkinischen Produktion – vorsichtige Schätzungen gehen von 95 Prozent aus – bislang unverarbeitet nach Indien oder Viet­nam, wo die Kerne aufgespaltet, geschält und verpackt und dann nach Europa und anderswohin verschifft werden.

Klingt ziemlich verrückt, ist es auch, aber eben eine von vielen bitteren Realitäten weltwirtschaftlicher Verhältnisse. Doch manifestiert sich im Südwesten von Burkina Faso, in der Nähe der Millionenstadt Bobo-Dioulasso, Widerstand gegen diesen Widersinn: Initiiert vom Schweizer Fairhandels-Pionier Gebana entsteht ein neues Großwerk für die Weiterverarbeitung von Rohcashewkernen sowie Mangos; sie steht kurz vor Inbetriebnahme. Anstatt die Wertschöpfung der heimischen Landwirtschaft, obendrein zum Nachteil des Klimas, auf anderen Kontinenten zu verscherbeln, will man die Rohcashews vor Ort verarbeiten, um lokal Mehrwert und Jobs zu generieren.

„Es sollen in der modernen Fabrik in den kommenden Jahren über 1.000 neue Jobs geschaffen werden“, sagt Gebana-Sprecherin Sandra Dütschler. „Es sind Jobs mit Sozial- und Krankenversicherung, die mehrheitlich Frauen mit geringer Schulbildung zugutekommen.“ Das burkinische Tochterunternehmen von Gebana investierte trotz instabiler politischer Lage über 11 Millionen Euro, die teilweise über Crowdfunding eingesammelt worden sind. Es ist für die Organisation mit Hauptsitz in Zürich die größte jemals getätigte Investition seit ihrer Gründung.

Seit 2006 engagieren sich die Schweizer mit ihrem Ansatz eines gerechteren Welthandels in Burkina Faso. Nun setzen sie mit der neuen Fabrik „La belle usine“ ein deutliches Ausrufezeichen für eine nachhaltige Entwicklung, da, wo sie am nötigsten ist. Denn neben den neuen Jobs in der Fabrik profitieren von der Verarbeitung vor Ort vor allem die Bauernfamilien. Sie bewirtschaften in der Regel kleine Parzellen, auf denen zwischen Mango- und Cashewbäumen auch Mais und Maniok für den Eigenverbrauch gedeihen.

„Darüber hinaus haben wir vor vier Jahren zusammen mit Agrarexperten angefangen, angepasste dynamische Agroforstsysteme zu entwickeln. Dabei werden Boden-, Busch- und Baumkulturen so kombiniert, dass sie den Boden optimal versorgen und vor Erosion schützen und so fruchtbar erhalten“, so Dütschler. „Die Agroforstwirtschaft ist somit ein wichtiges Mittel gegen den Klimawandel und die drohende Versteppung in der Region.“ Dies gelingt ohne Agrarchemie und gentechnisch verändertem Pflanzenmaterial. Alle bei der Verarbeitungsfabrik angelieferten Cashews sind biozertifiziert. Eine wichtige Rolle werden zukünftig die organischen Abfälle der Cashew-Veredelung spielen, denn sie sollen kompostiert den Böden wieder zurückgegeben werden.

So stehen derzeit die wirtschaftlichen Vorzeichen für die burkinischen Cashew-Produzentinnen und Verarbeiter eigentlich gut. Der Nachfrage wächst weltweit. Allerdings hat sich zugleich der Anbau ausgeweitet, sowohl in westafrikanischen Ländern als auch in Indien und Vietnam. Das drückt die Preise, weshalb viele konventionelle Verarbeiter unter Druck geraten sind. Davon sind die Gebana-Aktivitäten, die auf faire Preise und Bio setzen, noch nicht betroffen – „weil es immer noch eine Nische ist“, so ­Dütschler.

Besonders im Nachbarland Elfenbeinküste ist sowohl die Produktion als auch die Verarbeitung vor Ort in den vergangenen Jahren massiv angewachsen. Der Staat hat diesen Sektor begünstigt und viele multinationale Unternehmen haben investiert. „Für uns entsteht dadurch zwar mehr Konkurrenz, aber wir begrüßen es natürlich sehr, dass mehr und mehr Cashews in Westafrika verarbeitet werden.“

Inwieweit die wirre Zollpolitik der USA unter Trump die Bemühungen der burkinischen Tochtergesellschaft von Gebana untergraben wird, ist noch nicht abzusehen. Auf jeden Fall werden sich die vietnamesischen Cashew-Erzeuger, unlängst von der US-Regierung mit hohen Zöllen bestraft, nach neuen Märkten umschauen müssen. Ihre Nüsse werden für die Konsumenten in den USA zukünftig einfach zu teuer, so dass dieses Volumen wahrscheinlich zusätzlich nach Europa drängen. Gut, dass die Nuss aus Burkina Faso und der „Belle usine“ für den europäischen Konsumenten so klar definiert ist: fair, bio und wertschöpfend vor Ort.

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