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Kurze Auszeit für den Mann mit der Maske

Der indische Premierminister Atal Behari Vajpayee erholt sich von Kämpfen an verschiedenen Fronten

Aufrüsten und Verhandeln ermüdet: Trotz des drohenden Krieges zwischen Indien und Pakistan trat Indiens Regierungschef Vajpayee gestern einen dreitägigen Kurzurlaub an. Die Lage sei zwar ernst, aber er hoffe, es komme nicht zum Krieg.

Zeichen der Entspannung eines gemäßigten Politikers? Der 77-jährige Premier gilt als moderates Gesicht der hindunationalistischen Partei Bharatiya Janata (BJP). Als jemand, der Krieg vermeiden will. Als angefeindet vom radikalen Flügel der eigenen Führungsriege. Den er mit falschem friedfertigem Lächeln decke, sagen Kritiker und nennen ihn deshalb „die Maske“.

Atal Behari Vajpayee, Sprössling gebildeter Brahmanen, ist studierter Politologe und betätigte sich vor seiner politischen Karriere als Journalist und Sozialarbeiter. Erste Erfahrungen mit dem nationalistischen Lager machte er im Unabhängigkeitskampf, 1942 wurde er deswegen vorübergehend festgenommen.

Neun Jahre später gehörte er zu den Gründern der Partei Jana Sangh, die er zwanzig Jahre lang anführte. Jana Sangh und die 1977 gegründete Janata-Partei sind Vorläufer der heutigen BJP. Die erste Regierungsprobe bestand Vajpayee 1977 bis 1980 als Außenminister. 1996 wurde er erstmals Regierungschef – für ganze 14 Tage. Die zweite Amtszeit ab 1998 dauerte dann schon eineinhalb Jahre, 1999 wurde Vajpayee wiedergewählt.

Der Junggeselle, der im Parlament auch schon mal aus selbst verfassten Gedichten zitiert, hat eine Vision: „Ein Indien, frei von Hunger und Furcht, ein Indien, frei von Unwissenheit und Not.“ Die Beziehungen zum Nachbarn Pakistan sind und bleiben überschattet vom jahrzehntelangen Streit um Kaschmir. Der Kampf um den nördlichen Zipfel des Subkontinents wurde durch Atomversuche 1998 auf beiden Seiten noch verschärft.

Vajpayee bezeichnet die Verbesserung der Beziehungen zu Pakistan als seine persönliche Mission. Doch der Premier könnte über den radikalen Flügel der eigenen Partei stolpern. Der Gouverneur von Gujarat, Narendra Modi, soll das Gemetzel zwischen Hindus und Muslimen, bei dem in seinem Bundesstaat vor drei Monaten bis zu 3.000 Menschen starben, nicht nur toleriert, sondern auch noch angeheizt haben. Modi gehört zur höchsten Führungsriege der BJP. „Eine Schande für die Nation“ nannte Vajpayee die Morde und Plünderungen. Er hat sich jedoch bislang, entgegen den Forderungen indischer Oppositioneller und internationaler Kritik, nicht von Modi distanziert.

Anfang dieses Monats versuchte die oppositionelle Kongresspartei, Vajpayee und seine Regierung mit einem Misstrauensvotum zu stürzen. Es wurde mit 276 gegen 182 Stimmen abgewiesen. Doch die säkulare Kongresspartei ist im Aufwind, die BJP verlor kürzlich bei Wahlen im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Uttar Pradesh, Vajpayees Heimat, die Mehrheit.

So steht der schwer durchschaubare Vajpayee unter ständigem Druck der Hindu-Fundamentalisten im eigenen Lager sowie der Oppositionellen, deren Zahl im Bundesparlament von Delhi wächst. Dazu die Zeitbombe Kaschmir, um die Indien und Pakistan bereits 1948 und 1965 Krieg geführt haben. Im Moment würde Vajpayee seinen Urlaub wohl am liebsten noch ein wenig ausdehnen. Und hoffen, dass in seiner Abwesenheit kein neuer Krieg ausbricht.

ANETT KELLER

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