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Kurzbesuch von Merkel in AthenRückendeckung für den Sparkurs

Die deutsche Regierung will Griechenland helfen – vor allem bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die Griechen hoffen auf deutsche Investitionen.

Ihr Besuch sei ein Zeichen des Vertrauens in den griechischen Staatschef, heißt es. Bild: dpa

BERLIN/ATHEN dpa | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am Freitag zu einem eintägigen Kurzbesuch in die griechische Hauptstadt Athen geflogen. Einen Tag nach der erfolgreichen Rückkehr des Euro-Krisenlandes an die Kapitalmärkte wollte Merkel den konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras in seinem Sparkurs bestärken. Außerdem sind Treffen mit griechischen Mittelständlern und jungen, innovativen Unternehmern geplant. Am Abend (17.30 Uhr) wollen Merkel und Samaras die Öffentlichkeit über Ergebnisse ihrer Gespräche informieren.

Bei ihrem Athen-Besuch mitten in der Schuldenkrise im Oktober 2012 war Merkel wegen ihres harten Sparkurses von vielen Griechen persönlich für die schlechteren Lebensbedingungen verantwortlich gemacht worden. Ausschreitungen wie damals wurden nun jedoch nicht erwartet.

Dennoch traf die Polizei in Athen starke Sicherheitsvorkehrungen. Polizisten kontrollierten schon vor dem Eintreffen der Kanzlerin das Regierungsviertel. Zudem wurden am Vormittag zwei U-Bahn Stationen in der Nähe der Tagungsorte geschlossen. Die Polizei hatte Demonstrationen im Regierungsviertel verboten. Linke Organisationen und die größte Oppositionspartei Bündnis der radikalen Linken wollten am Nachmittag außerhalb des Sperrgebietes demonstrieren.

Nach Informationen von Handelsblatt Live will Merkel die lange geplante griechische Förderbank mit einer Zwischenlösung auf den Weg bringen. Athen und Berlin wollten je 100 Millionen Euro dafür aufbringen, berichtet die Internetzeitung. Die Absichtserklärung dazu solle bei Merkels Athen-Besuch unterzeichnet werden, hieß es.

Chef der EU-Task-Force

Nach der erfolgreichen Rückkehr Griechenlands an die Finanzmärkte am Donnerstag hält der Chef der EU-Task-Force für das Krisenland eine Besserung der Lage für möglich. Der Ökonom Horst Reichenbach sprach bei Spiegel Online von einem möglichen Wendepunkt. Allerdings sei Athen noch nicht über den Berg und könnte weitere Finanzhilfen benötigen. Reichenbachs Task-Force koordiniert die europäischen Hilfen und unterstützt Griechenland bei Reformen.

Die meisten Analysten waren sich am Freitag einig: Egal was Merkel mitbringt – ihr Besuch sei ein Zeichen des Vertrauens in Samaras. Der ehemalige griechische Außenminister Dimitris Droutsas hält den Besuch hingegen für eine Inszenierung im Europa-Wahlkampf. Der Sozialist warnte im Südwestrundfunk auch vor zu viel Euphorie über Griechenlands Aktivitäten auf den Finanzmärkten. „Ich glaube nicht, dass Griechenland ohne einen weiteren großzügigen Schuldenschnitt in der Zukunft wieder auf eigenen Füßen stehen kann.“

Das neue ZDF-Politbarometer ergab, dass nur 22 Prozent der Deutschen die Euro-Krise bereits als überwunden ansehen. Eine Mehrheit von 51 Prozent ist jedoch der Meinung, dass von Griechenland keine große Gefahr für die Stabilität des Euro ausgeht. Deutliche Sorgen macht die Wirtschaftskrise in Griechenland 45 Prozent der Befragten.

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4 Kommentare

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  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Griechen, hört nicht auf die Miese(n).

    Frau Merkel kennt nur die Devise(n):

    "Krisen, Krisen, Krisen, Krisen."

  • Ein ganz wesentlicher Aspekt der Haushaltskonsolidierung Griechenlands und damit des Kredit-Ratings des Landes ist der Entstaatlichungsprozeß des Gesundheitssektors, bei dem Deutschland bekanntlich als „Domaine-Leader“ mit einem 16-köpfigen Expertenbüro in Athen fungiert. Die bisherigen Erfolge sind durchschlagend, etwa bei der Steigerungsrate der Kindersterblichkeit um 43 %. ("The Lancet", London). Fast ein Drittel aller Todesfälle, die nicht durch das hohe Alter der Gestorbenen erklärbar sind, so die Autoren der Lancet-Studie, seien direkt auf die Krise zurückzuführen. Die Suizid-Rate steige, Krankheiten wie Malaria oder Depressionen fänden größere Verbreitung. In seinem Report "Equal Access to Health Care" werden die Auswirkungen der Haushaltskürzungen in Griechenland auch vom Europäischen Rat scharf kritisiert. Sie hätten zu einer regelrechten "humanitären Krise" geführt. Auch das Europäische Parlament hat in einer Troika-kritischen Resolution im März beklagt, daß eine Reihe von Vorschriften für Gesundheitsreformen und Ausgaben-Kürzungen zu Konsequenzen geführt hätten, die der Grundrechte-Charta der Europäischen widersprächen, folglich eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte darstellten.

     

    Desungeachtet werden in Berlin, Frankfurt und Brüssel wohl die Sektkorken knallen, wenn bei der Steigerungsrate der Kindersterblichkeit in Griechenland die 60%-Marke geknackt ist...

    • @Reinhardt Gutsche:

      "Desungeachtet werden in Berlin, Frankfurt und Brüssel wohl die Sektkorken knallen, wenn bei der Steigerungsrate der Kindersterblichkeit in Griechenland die 60%-Marke geknackt ist..."

      Och näää , das ist zu fies ! Wenn das Thema bei den obersten Krisenverwaltern zur Sprache kommt (unwahrscheinlich) , dann werden paar Krokodilstränen abgedrückt und tiefstes Bedauern geäußert . Um anschließend darauf zu bestehen , dass man zur Rettung des "Ganzen" keine andere Wahl hat . Malthus läßt grüßen .

  • Peter Gauweiler : " Sie ( die Investoren) finanzieren einen Schuldner, der zur Rückzahlung der Kredite - also der Staatsanleihen - definitiv nicht in der Lage sein wird. Bezahlen müssen diesen Wahnsinn die Steuerzahler der Geberländer".

     

    War so , ist so , und wird bis ans Ende der Tage des Kapitalismus des stetig virtueller werdenden Geldes so bleiben : Griechenland ist pleite .

    In der globalisierten Konkurrenz wird wirtschaftlich in Griechenland nichts dazu führen können , dass der griechische Staat über Steuereinnahmen verfügen könnte , die eine Schuldenreduzierung ermöglichen würden . Alle wissen das , auch die Krisenverwalter und Mainstream-Medien , nur dürfen die das nicht öffentlich ausplaudern .

    Die EU-Euro-Länder werden wie bisher den Kollaps des griechischen Staatswesens notdürftig verhindern : im eigenen Interesse , um den Währungskollaps hinauszuschieben ...