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Kurt Tucholsky behält RechtSalat für Zeitungsleser

Kurt Tucholsky ist ein media watch dog der ersten Stunde. Was er über Hofberichterstattung und das symbiotische Verhältnis von Journalisten und Pressesprechern schrieb, ist aktuell wie eh und je.

Journalisten oder Hofberichterstatter? Bild: dpa

"Alle Obrigkeit kommt von Gott. Man muß sich nicht gegen das Gegebene auflehnen - das bekommt dem Inseratengeschäft nicht." Das ist das Glaubensbekenntnis, das geistige Impressum der Presse nach Kurt Tucholsky. Giftig kann er werden, wenn es um die eigene Zunft geht. Als einer der renommiertesten Journalisten der Weimarer Republik hat Tucholsky immer mit großer Freude das eigene Nest beschmutzt.

Kurt Tucholsky Bild: dpa

Tucholsky glaubt sich im Recht und behält Recht: Die Presselandschaft in den 1910er- und 1920er-Jahren besteht aus schlecht gemachten Parteiblättern und reaktionären Regionalzeitungen, dazwischen ein paar einsame Inseln des seriösen Journalismus. Das Mediensystem aus Tucholskys Sicht ist regelrecht feudal: Während heute einzelne willfährige Artikel als "Hofberichterstattung" kritisiert werden, hat damals fast jeder Verlag seinen eigenen "Hof" und die Redakteure sind "bis ins letzte Komma abhängig wie die Landarbeiter". Manches, was er schreibt, würde sich allerdings selbst heute auf den Medienseiten der Zeitungen nicht anachronistisch lesen.

Kurt Tucholsky ist ein media watch dog der ersten Stunde, wittert mit untrüglichem Spürsinn hinter Artikeln Unsauberkeiten und reibt sie den Kollegen genüsslich unter die Nase: "Wie sie alle nur eine Sorge bewegt: Wie mach ichs, daß die Schreiberei nun mit Bedeutung auch gefällig sei? Wem …? Das kommt ganz darauf an." Auf den Leser, den Verleger, den Inserenten, die Regierung - die Zeitung ist ein Geschäft, "ein von tausend Interessenten beeinflusstes Geschäft". Um das Geschäftliche draußen und seine Artikel sauber zu halten bezahlt der Kabarettkritiker Tucholsky sogar seine Billets konsequent selbst: "Man kann dann hinterher besser schimpfen." Wie wahr!

Es ist diese Freiheit des Schimpfens, die er in der zeitgenössischen Presse der Zehner- und Zwanzigerjahre des vorigen Jahrhunderts so vermisst. Besonders im Ersten Weltkrieg, als "Hofberichterstattung" im Wortsinn, rund um ein von Seiner Majestät in Auftrag gegebenes Schlachten, praktiziert wurde. Als die Journalisten "logen, daß sich die Druckmaschinen bogen", als jede von der Obersten Heeresleitung ausgegebene Lüge von der "gehorsamen und unter ihrer Knebelung wollüstig stöhnenden Presse nachgestottert" wurde. Selbst einberufen, lässt sich Tucholsky von der allgemeinen Hysterie nicht anstecken: "Ich werde lieber die Tinte halten" - bis man wieder das Richtige schreiben dürfe. An der "Pressereklame", "die verdammt nach Odol schmeckt: Aufdringlich und gut bezahlt", will er sich jedenfalls nicht beteiligen.

Der Nachgeschmack dieser Propaganda hält sich bis heute - die Pressestellen in Deutschland sind ein Kind dieser Zeit. Den Anfang macht das Kriegspresseamt - laut Tucholsky "ein Ausschank, der ausdrücklich dazu da war, in die Presse diejenigen lügenhaften Nachrichten einzuschmuggeln, die nötig waren, um dem Volke das gewisse Quantum Kriegsbesoffenheit einzutrichtern". Ein Erfolgsmodell, das sich nicht nur die Nachkriegsobrigkeit, sondern auch die freie Wirtschaft abschaut und das sich bald "karnickelhaft" vermehrt.

Heute ist normal, was Tucholsky noch verteufelte, aber sein Spott angesichts von 1:1 abgedruckten Pressemitteilungen durchaus nachdenkenswert: Journalisten "telefonieren heute die zuständige Pressestelle an und bekommen von ihr - also von interessierter Seite - fix und fertig einen Salat vorgesetzt, der den Leser so unterrichtet, wie es die Macht, die hinter der Pressestelle steht, haben will. Also falsch unterrichtet."

Falsch unterrichtet aus Obrigkeitshörigkeit, aus ökonomischem Interesse, aus Opportunismus. Tucholsky selbst stellt den Sinn des Zeitungslesens wiederholt in Frage. Ruhelos konsumiert er aber letztlich doch mehrere verschiedene Blätter und versuchte so "den Text jeder Zeitungsnummer ins Wirkliche zu übersetzen". Denn das, was da in der Zeitung stehe, warnt Tucholsky seine Leser, sei gewiss nicht die Welt, sondern vielmehr: "Die Welt - Gekürzte Volksausgabe und für den Schulgebrauch bearbeitet."

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1 Kommentar

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  • AR
    ASt Reyntjes

    Wie - für einen "media watch dog" soll ich K.T halten...?

     

    „Man sollte sich lieber an das Original halten.“

    So beendete Ignaz Wrobel diesen Artikel, aus dem hier zitiert wird (in „Die Weltbühne“ vom 13.10.1921, Nr. 41, S. 373).

     

    Aber wer oder was ist die „Welt“, ob damals oder heute? Bestimmt kein Presseorgan, kein Verlag, keine Feuchtgebiete-Analo- oder -Ökologen, auch keine "taz" (Obwohl die Absicht dieses Artikels sie ehrt.).

     

    Für mich ist es Tucholsky Werk selbst die 'Welt', ja das in „Gesamtausgabe. Texte und Briefe (bei Rowohlt).

    Da muss man nicht einmal oder zweimal von einem „media watch dog“ lesen, sondern keinmal.

     

    Der bei K. T. energisch geblafften Definition „die Wohnung des „Hundes ist ein von Verfassungs-Agenten und anderen]Flöhen bewohnter Organismus, der bellt, hätte er deutsch-deutlich was hingefügt, nichts medial-dogisch-english Verhauenes…

    Vgl.:

    http://www.textlog.de/tucholsky-traktat-scherz.html

     

    Na? K.T. hätte auch nicht von einem ‚Zeitungspfiffi’ geredet, sondern von wohl einem Presse-Wolf.

    Wie er selber nachgewiesen hat:

    „Niemanden haßt der Hund so wie den Wolf; er erinnert ihn an seinen Verrat, sich dem Menschen verkauft zu haben – daher er dem Wolf seine Freiheit neidet, ihn hassend fürchtet und sich durch doppelten Verrat beim Menschen lieb Hund zu machen sucht.“ („Traktat über den Hund, sowie über Lerm und Geräusch“. 1927)

     

    Also vielleicht von einem Wachhund á la K.T., der noch streunen mag und kann:

    „… weil er selbs streunt all Winckel aus,

    erfert, was geschieht im gantzen Hausz“(HANS SACHS. 1545; lt. Grimms DWb.)