Kurt Hübner ist tot: Der Schmied der Talente
Als Bremen die Hauptstadt des deutschen Theaters war: Kurt Hübner, der Intendant, der viele später große Regisseure und Schauspieler entdeckte, starb mit 91 Jahren.
Er war einer der ganz Großen des westdeutschen Nachkriegstheaters: Kurt Hübner, der bedeutende Intendant des Bremer Theaters in den 60er-Jahren. Zuletzt hatte man ihn im vergangenen Oktober aus Anlass seines 90. Geburtstags quer durch die Feuilletons gefeiert: als Ermöglicher und Begründer der westdeutschen Theatermoderne. Als wagemutigen und hellsichtigen Wiederaufforster der verwüsteten deutschen Theaterlandschaft nach dem Krieg. Er entdeckte junge Regisseure wie Peter Zadek, Peter Stein, Peter Palitzsch, Hans Neuenfels oder Rainer Werner Fassbinder, förderte Schauspieler wie Edith Clever, Bruno Ganz oder Hannelore Hoger und die Bühnenbildner Karl-Ernst Herrmann, Erich Wonder oder Wilfried Minks. Hübner machte ein Credo zur Bremer Marke: das Theater müsse ein offener Raum sein, wo Stoffe und Stücke auf Augenhöhe mit der Gegenwart verhandelt werden.
So kam es zu Zadeks legendären Inszenierungen: ein wilder Shakespeare, "Maß für Maß" mit Schauspielern in Jeans, die Slang statt gepflegtes Literaturdeutsch sprachen. Ein "Räuber" vor Roy-Liechtenstein-Kulisse, der den Geist der Anti-Vietnam-Demonstrationen, aber auch den diskreten RAF-Charme vorwegnahm. Hübner ließ den vom Ostberliner BE kommenden Peter Palitzsch Brecht inszenieren, als Brecht im Westen noch als Kommunist verpönt und seine Stücke boykottiert wurden. An Hübners Bremer Theater entstand schließlich Peter Steins berühmter "Tasso", formierte sich die Gruppe, aus der in Berlin die Schaubühne hervorgehen sollte.
Man kann sich in Zeiten, wo ein Theaterskandal inzwischen eher ein Marketinginstrument als das Ergebnis revolutionärer ästhetischer Positionen ist, kaum noch vorstellen, was für erdrutschhafte Erschütterungen damals von Bremen ausgegangen sind. Dass für ein Jahrzehnt lang diese brave Hansestadt einmal eine deutsche Theatermetropole gewesen ist.
Der 1916 in Hamburg geborene Hübner war gelernter Schauspieler. Nach dem Krieg, an dem er als Offizier teilnahm, versucht sich Hübner zunächst als Journalist und Rundfunksprecher, landet dann aber doch schnell wieder beim Theater - als Regisseur und Dramaturg in Hannover, Freiburg, Göttingen und Stuttgart. 1959 wird er Intendant des Theaters in Ulm und macht aus dem Provinztheater schnell eine wichtige Talentschmiede. 1963 dann der Wechsel nach Bremen, zehn Jahre später an die Freie Volksbühne in Berlin (West). Seit 1986 hat Hübner nur noch wenig inszeniert. Gelegentlich war er im Film zu sehen, zu Beispiel in Loriots "Pappa ante Portas", wo er einen veritablen deutschen Unternehmer spielt. Am Dienstag starb der große Theatermann, den der legendäre Berliner Theaterkritiker Friedrich Luft einmal einen "Rattenfänger für Talente" genannt hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!