: Kurdisch-deutscher Verein verboten
■ Beweise für die Vorwürfe des Innensenators gefordert
Der „Kurdisch-Deutsche Solidaritätsverein“ist gestern von Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) verboten worden. Borttscheller wirft dem Verein vor, als Zentrum für die in Deutschland verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gedient zu haben. Der Verein, so Borttscheller, „diente als Organisationszentrum für PKK-Propaganda-Veranstaltungen, als Koordinierungsstelle für Spendengelderpressungen, zur Schulung von Kadern, zur Anwerbung von PKK-Kämpfern und für interne ,Schnellgerichte', die Abweichler einschüchtern und disziplinieren sollen.“
Nun werden von mehreren Seiten Beweise für die Vorwürfe gefordert. „Das Verbot steht auf tönern Füßen“, meint der Grünen-Abgeordnete Arendt Hindricksen. Wie Hindricksen forderte jetzt auch die SPD-Abgeordnete Barbara Wulff konkrete Belege. Die Bremer Ausländerbeauftragte Dagmar Lill erinnerte an die heftigen Vorwürfe, die vor wenigen Monaten von Borttscheller an die islamische Gemeinde gerichtet wurde: „Auch damals gab es nur allgemeine Vorwürfe – später ist die Diskussion einfach im Sande verlaufen.“
Hintergrund des Verbots sind Ermittlungen gegen fünf Kurden, die in Schutzgelderpressungen verwickelt sein sollen. Letzten Dezember wurden deshalb die Räume des Solidaritätsvereins durchsucht undPropagandamaterial der PKK gefunden. Die Staatsanwaltschaft hatte angeblich bereits die Einstellung der Ermittlungen erwogen – das wurde allerdings von der Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Helga De Boer, nicht bestätigt. Sie räumte jedoch ein, daß die Entscheidung zum Verbot „offenbar unabhängig von unseren Ermittlungen“gefallen sei.
„Alle Vorwürfe von Verstößen liegen mindestens viereinhalb Monate zurück“, wundert sich der Rechtsanwalt des Vereins, Eberhard Schultz. Für ihn ist das Verbot ein „politischer Entlastungsangriff“des Innensenators. Das es Menschen im Solidaritätsverein gab, die mit der PKK sympathisierten, ficht Schultz nicht an. Doch Fehlverhalten oder kriminelle Machenschaften müßten dem Verein, und nicht Einzelpersonen nachgewiesen werden, um eine Handhabe für ein Verbot zu haben.
Damit ist die Geschichte der Bremischen Verbote von PKK-nahen Organisationen um ein Kapitel reicher. 1993 wurde im Zuge des bundesweiten PKK-Verbots der „Mesopotamische Kulturverein“geschlossen. Mehrere hundert Mitglieder fanden damals in dem neu gegründeten „Kurdisch-deutschen Verein für Völkerfreundschaft Helvati“eine Heimat. Doch auch Helvati, von Borttscheller damals als „Volkstanzgruppe der PKK“bezeichnet, wurde im November 1995 verboten. Kurz darauf wurde mit Hilfe der Bürgerschaftsabgeordneten von AfB, SPD und Grünen eine Initiative gestartet, aus der der nun verbotene Solidaritätsverein hervorging. Christoph Dowe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen