Kunstwerk von John Latham zerstört: Zu viel Kritik an Gott
In Frankfurt am Main ermittelt die Polizei gegen drei unbekannte Männer. Sie sollen religionskritische Kunst im Portikus zerstört haben.
FRANKFURT/M. taz | Nach der Zerstörung eines Kunstwerks in Frankfurt am Main hat die Polizei ihre Ermittlungen gegen drei unbekannte Männer aufgenommen. Eine Beurteilung seitens der Staatsanwaltschaft steht noch aus, ob die Tat religiös motiviert war und daher der Staatsschutz die Ermittlungen übernehmen soll.
Am Samstagnachmittag hatten drei Männer zwischen 25 und 35 Jahren die Kunsthalle Portikus an der Alten Brücke betreten und sich konkret nach „dem Koran“ erkundigt, der Teil der „God is great“-Serie von John Latham (1921–2006) ist. Die Täter sollen lautstark nach dem Sinn der Ausstellung gefragt und anschließend das Werk „God is great (#4)“ von Latham zerstört haben, indem einer der Männer den Koran an sich nahm. Wobei der Grad der Zerstörung nicht leicht zu ermitteln sein wird. Das Kunstwerk besteht aus einem zusammengekehrten Haufen Glassplittern, auf dem Talmud, Bibel und Koran liegen. Es war mit 150.000 Euro versichert.
Schon 2005 war ein Werk des Konzeptkünstlers abgelehnt worden – damals von der Tate Gallery in London, die „God is great (#2)“ unmittelbar nach den islamistischen Attentaten in der Stadt nicht ausstellen wollte. Als Grund wurde damals angegeben, man habe unnötige Provokation von Muslimen vermeiden wollen. Das Museum hatte damit argumentiert, dass der Koran durchgeschnitten worden sei, um ihn mit den anderen Büchern auf eine damals intakte Glasscheibe zu kleben. Latham erklärte, er sei keineswegs islamfeindlich und habe nur zeigen wollen, dass alle religiösen Lehren sich aus der gleichen Quelle speisten. Tatsächlich verstand der Künstler seine Arbeit immer als erkenntnistheoretische Untersuchungsreihe mit dem Ziel, unser Vertrauen in die Sprache zu erschüttern. Zu diesem Zweck müssten auch Bücher als Träger toten Wissens zerstört werden.
So gesehen haben die Vandalen von Frankfurt, indem sie den Koran aus der Installation entfernten, ein schmeichelhaft tiefes Verständnis der Arbeit von John Latham unter Beweis gestellt. In Frankfurt hat das Tradition. Zuletzt wurde 2010 eine abstrakte Skulptur von Michael Beutler zerbrochen, eingestampft und verbrannt – von der Müllabfuhr.
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