Kunstförderung in Hamburg: Offiziell im Off
21 Off-Kunstorte fordern mehr Aufmerksamkeit und Geld. Auch die Kulturbehörde hat den Nachholbedarf erkannt und baut die Förderung aus.
Zwischen den Zeichnungen und Fotos, den Videos und Installationen aller Art taucht manchmal „Vincent“ auf, das plüschige, lebendige Maskottchen der freien Kunstorte in Hamburg. In die Wand der Frappant-Galerie geschossen markieren 22 Pfeile diese manchmal nur der eigenen Clique bekannten Stätten der Kunst und des Austauschs.
Diese sogenannten Off-Orte haben seit dem Sommer vergangenen Jahres einen neuen Anlauf genommen, stärker zusammenzuarbeiten. Sie wollen besser sichtbar werden und mehr Wertschätzung erhalten: Aufmerksamkeit und auch Geld. Erst einmal haben sie kurzfristig diese Gemeinschaftsausstellung in der Viktoria-Kaserne realisiert und einen Forderungskatalog veröffentlicht.
Unkommerzielle Kunst
Aber was ist ein Off-Ort überhaupt? Auch manche Beteiligte finden den Begriff etwas unglücklich. Es geht um die Räume, in denen meist junge Künstlerinnen und Künstler weitgehend unkommerziell ihre Arbeiten präsentieren. Es sind zudem selbstbestimmte Orte der Kommunikation mit und über Kunst, die auch weit nach Schließung der großen Häuser noch aktiv sind.
Mit dem Projekt „Wir sind woanders“, einer Reihe gemeinsamer Symposien und Veranstaltungen waren die freien Hamburger Kunstinitiativen und Kunsträume schon von 2006 bis 2009 an die breitere Öffentlichkeit getreten.
Doch statt um Begeisterung für Kunst und Kommunikation, für Form gewordene Geistesproduktion und kreativen Austausch, muss es nun ganz deutlich um ein paar Zahlen gehen: Die Off-Orte machen geltend, eine kollektive Kulturinstitution zu sein, die mit 44.534 Stunden freiwilliger Arbeit 1.435 Künstlerinnen und Künstler rund 97.040 Interessierten aus dem In- und Ausland nahe gebracht hat.
Eine „schlappe Null“ mehr
Dafür wurden sie von der Stadt nach kompliziertem, jedes Jahr neu juriertem Schlüssel mit bisher 140.000, aktuell aufgrund von Sondermitteln mit rund 175.000 Euro gefördert. In ihrem Manifest zur aktuellen Ausstellung fordern diese offiziell anerkannten Off-Orte nun nur eine kleine schlappe Null mehr – aber hinten: Das wäre dann ein Plus von 1.575.000 Euro. Bei aller Liebe: Das ist nicht durchsetzbar, selbst nicht mit Seitenblick auf die großzügigen Fördermaßnahmen in Berlin.
Aber es ist ja nicht so, dass die Kulturbehörde nicht erkannt hat, dass bei der Förderung bildender Künstler ein Nachbesserungsbedarf besteht. Kultursenator Carsten Brosda sagt: „Hamburg zeichnet sich durch eine sehr vielfältige und engagierte Freie Szene in der Bildenden Kunst aus, die wir seit vielen Jahren unter anderem mit den Arbeitsstipendien erfolgreich unterstützen.“
Und weiter: „Ich freue mich, dass es uns endlich gelungen ist, die vorhandene Förderung deutlich auszubauen und neue Förderinstrumente anzubieten. Wir werden diese Förderung auch in Zukunft im engen Austausch mit den Künstlerinnen und Künstlern der Freien Bildenden Kunst weiterentwickeln und an veränderte Bedingungen und Bedürfnisse anpassen.“
Der Förderbetrag für die Projekträume wurde nun, ohne auf zusätzlich Sondermittel angewiesen zu sein, mit 200.000 Euro im Haushalt verankert. Erstmalig seit D-Mark-Zeiten wurden auch die zehn gerade vergebenen Hamburg-Stipendien von etwas peinlichen 820 Euro auf einigermaßen kostendeckende 1.500 Euro angehoben. Und zusätzlich ist die Zeit-Stiftung bereit, erst einmal für drei Jahre insgesamt 250.000 Euro für Projektstipendien zu geben. Es sollen hieraus jährlich sieben Projektstipendien á 10.000 Euro finanziert werden, die Ausschreibung wird demnächst starten.
Das Hauptproblem bleibt bestehen
Schon seit 1981 wird zudem von Künstlervertretern immer wieder gefordert, ausstellende bildende Künstler wie Performer oder Musiker für ihre Eventdienstleistung zu honorieren – inzwischen gibt es das beispielsweise in den 15 kommunalen Bezirksgalerien in Berlin. Nun wird das auch in Hamburg vorsichtig angegangen: In einem ersten Schritt wird es 2019 100.000 Euro und in 2020 200.000 Euro für Ausstellungsvergütungen geben. An dem konkreten Verteilungsschlüssel wird derzeit gearbeitet.
Was fordert die Initiative der freien Kunstorte noch? Die Wiederbelebung der „Woche der Bildenden Kunst“ mit einer größeren gemeinsamen Veranstaltung der Hamburger Kunstschaffenden, eine Initiative zu mehr Öffentlichkeitsarbeit, Gastateliers für internationalen Künstleraustausch, einen „runden Tisch“ mit der Kulturbehörde und generell mehr Planungssicherheit. Dass einiges an einem solchen Forderungskatalog für freie Kunstorte ein wenig bürokratisch erscheint, ist wohl unvermeidlich, um nicht allzu pfauenhaft zu erscheinen.
Ein Hauptproblem allerdings ist von allen Beteiligten kaum zu optimieren: Die schwierige Situation mit geeigneten und vor allem bezahlbaren Räumen. Aber das betrifft die kommerziellen Galerien genauso. Und derartig kunstbegeisterte und finanziell entgegenkommende Grundstückseigner wie beispielsweise Hans Jochen Waitz in der Admiralitätstraße sind selten. So muss das Hinterconti in der Marktstraße zurzeit gegen seine Kündigung kämpfen – in der Ausstellung steht trotzig ein Ofen, der mit Vermieterschreiben beheizt wird.
Ausstellung noch bis So, 13. Januar, 14 bis 19 Uhr, Frappant-Galerie in der Viktoria-Kaserne
Infos: www.art-off-hamburg.de
Vielleicht ist Jan Holtmanns raumungebundenes Konzept doch eine Lösung dieses Problems: Seine Noromgallery findet für die zahlreichen Formate ihrer performativen Kunst kurzfristig jeweils andere, neue und besondere Orte.
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