Kunstaktion von Pejac in Kreuzberg: Da hängt doch wer
Am Kreuz der Heilig-Kreuz-Kirche hängt ein Körper, aber der Heiland ist es nicht. Was hat es mit der merkwürdigen Figur auf sich?
Das Bild, das bei der Fahrt durch Kreuzberg für einen Sekundenbruchteil im Augenwinkel auftaucht, irritiert: Da hängt wer am Kreuz! Ganz oben auf der Heilig-Kreuz-Kirche am Halleschen Tor. Nicht im klassischen Sinne, kein angenagelter Körper, sondern einer, der sich mit einer Hand festhält und schräg ins Leere lehnt, leger fast, wie ein Mensch beim Poledance. So sieht es jedenfalls von Weitem aus.
Seit Tagen schon hängt die Figur dort über der Kuppel, aber nichts weist auf den Hintergrund hin, selbst das Netz schweigt. Ein prank, Guerillakunst? Wie vor ein paar Jahren, als die „Berlin Kidz“ das Turmdach der Bonifatiuskirche an der Gneisenaustraße mit einem ihrer vertikalen Graffiti-Schriftzüge verzierten?
Ein Besuch der Kirche bringt Aufklärung. Die politisch aktive Gemeinde Heilig-Kreuz-Passion, die hier hinter wilhelminischen Klinkern Kultur-, Flüchtlings- und Obdachlosenarbeit macht, ein Café betreibt und selbst seit Jahren die Seenotrettung Sea-Watch im Mittelmeer unterstützt, hat ihr Dach dem spanischen Künstler Pejac zur Verfügung gestellt.
Aus der Nähe betrachtet handelt es sich bei der überlebensgroßen Figur um ein Kind in einer Rettungsweste, das in der freien Hand eine Signalfackel hält. Weil man aber gar nicht so nahe herankommt, wird an der Zossener Straße jetzt noch ein Fernglas montiert, nebst Informationen zu einer Ausstellung von Pejac und zur Situation der Menschen auf dem Meer.
Eingefädelt hat alles die Werbeagentur Dojo, die unterm Dach der Kirche Räume mietet. Die Kreativen stecken einen Teil des Geldes, das sie mit Kampagnen für Lieferheld oder Hertha verdienen, in ihre Stiftung „Dojo Cares“ – in diesem Zusammenhang setzten sie sich auch für Pejacs Aktion ein, die den Blick der Gesellschaft trotz Corona- und Klimakrise wieder auf die Not der Flüchtenden richten soll.
Schon viele Anfragen
Dass die Figur seit zehn Tagen kommentarlos am Kreuz hängt, könnte man als Kommunikationspanne interpretieren, vielleicht war es aber auch gewollt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen – wie beim Autor dieser Zeilen. „Ich habe schon eine Menge Anfragen bekommen, was es mit der Figur auf sich hat“, sagt auch Marita Lessny, Vorsitzende des Gemeinderats, der für die Kirche das Okay gegeben hat.
In Kürze wird es mehr Informationen geben, auch im Netz. Und Pejacs Skultpur wird noch viel mehr Menschen auffallen: Laut Dojo wird die Fackel zweimal am Tag – um 12 und um 18 Uhr – leuchtend rot brennen. Fragt sich, ob so etwas in Berlin unter Kunst oder Kitsch verbucht wird. Ein Hingucker ist es allemal.
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