Kunst über Rechtspopulismus: Ready Made Nationalismus

Im Haus am Lützowplatz in Berlin bringt Raimar Stange Künstler zusammen, die sich an dem Thema auf unterschiedliche Weise reiben.

In einem kahlen Raum stehen Kunstwerke

Politische Schmuddeligkeit: Burschenschaftsfahne und Holzskulptur Foto: Anna Meyer

Vorhang oder Stofflappen? Ein Meter mal ein Meter groß, hängt es von der Decke. Die Ränder schwarz, innen grün und weiß, durchzogen von fleckigen braunen Schlieren, erinnert es an abstrakte Farbfeldmalerei. Links davon leuchtet ein Schriftzug: „DIE DEUTSCHE BEVÖLKERUNG“. Durch verschieden-farbige Lettern kommt es zu einer Visualisierung nationaler Demografie: Jeder fünfte Deutsche sei demnach ausländerfeindlich, jeder 19. gar rechtsextrem, nur ein Achtel sozial eingestellt.

Das ist mal eine Aussage und in seiner – Achtung, Achtung – populistischen Deutlichkeit einigermaßen besorgniserregend. Blick zurück nach rechts: Der Lappen ist in Wirklichkeit die Fahne einer Burschenschaft aus Hannover. Steht der Dreck für die politische Schmuddeligkeit national-gesinnter Verbindungen oder soll ich etwa meine dreckigen Finger daran reinigen, mich moralisch reinwaschen? Mehr als zwei Jahre nachdem eine sogenannte Flüchtlingskrise die deutsche Parteienlandschaft verformte und fremdenfeindliche Hass-Kommentare zur digitalen Normalität gehören, tut sich Deutschland weiterhin schwer damit, einen angemessenen Umgang mit rechter Propaganda zu finden.

Ideen gibt es dabei zuhauf. Sie reichen vom juristisch schwer durchsetzbaren Verbot, über die oft lauwarmen Vorschläge, endlich mit Rechten „zu reden“, bis zur möglicherweise die Kunstfreiheit gefährdenden Neutralitätsbekundung, wie sie gerade mit Blick auf rechte Rockbands von Bremer Grünen, SPD und CDU gefordert wurde. Und wie war das noch, sind jetzt etwa die Rechten Avantgarde? Das sind Fragen über Fragen.

Mit der Ausstellung „Rechts“ widmet sich das Haus am Lützowplatz dem Schreckgespenst Rechtspopulismus und sucht nach künstlerischen Antworten. Zu sehen sind Arbeiten zehn deutscher Künstlerinnen und Künstler, die sich dem Thema zumindest formal auf sehr unterschiedliche Weise nähern. Neben dem oben erwähnten Readymade von Daniel Knorr und Silke Wagners Leuchtschrift gibt es Collagen, Gemälde und Konzeptkunst.

Zuspitzung und Humorverlust

Einige der Werke, die der Kurator Raimar Stange hier in drei Kellerräumen versammelt hat, erschließen sich sofort, andere, wie Manfred Pernices Draht-und-Holz-Skulptur „für Inge Deutschkron“, in der angeblich ein Buch der deutsch-israelischen Publizistin versteckt ist, tun dies nicht. Diese Bandbreite ist erst mal erfreulich, scheint sie doch die unterschiedlichen politischen und zivilgesellschaftlichen Positionen im Hinblick auf den Rechtspopulismus zu spiegeln.

Das Problem ist aber: Eine ausgeglichene Abbildung öffentlicher Positionen zu diesem Thema führt fast zwangsläufig zu dramatischer Zuspitzung und Humorverlust, schließlich bleibt eine „deutsche“ Auseinandersetzung mit sogenannten „Rechtspopulisten“ oft der traumatischen Geschichte des Nationalsozialismus verhaftet. An dieser schicksalshaften Beschränkung leidet auch die Ausstellung, wie sich nicht nur an der Frakturschrift des Ausstellungstitels erkennen lässt. Auch fast alle Kunstwerke beziehen sich in der einen oder anderen Weise auf die NS-Zeit.

Auch fast alle Kunstwerke beziehen sich in der einen oder anderen Weise auf die NS-Zeit

Begrüßenswert sind in diesem Zusammenhang zwei Arbeiten, die sich diesem Gegenstand spielerisch nähern. Hier ist das unauffällig gestaltete Heft zu nennen, das im Gewand einer Publikation von Unterrichtsmaterial vom „Bayrischen Staatsministeriums für Bildung, Kultur und Demokratie“ zum Jubiläumsjahr „Scholl 2017“ daherkommt. Darin finden sich Informationen zur Weißen Rose, Aufgaben zur Auflösung des „Staatsgast Dilemmas“ (Wenn ein ausländischer Diktator kommt, sollen wir ihn foltern oder nicht?) sowie Flugblätter zum Ausschneiden und Verteilen an den russisch-türkischen Bekanntenkreis.

Wunschprojekt Linkspopulismus?

In Wahrheit stammt das Heft vom Zentrum für politische Schönheit. Es ist gerade deshalb wertvoll, weil hier mit einem historisch begründeten Moralismus – von dem das Zentrum oft genug Gebrauch machte – gebrochen wird. Stattdessen wird die vermeintlich eindeutige „historische Lektion“ als selbst kontingent und abhängig von Eigeninteresse erkennbar. Nicht umsonst überbieten sich Unionsleute regelmäßig darin, Putin oder Erdoğan zu kritisieren, während über Victor Orbáns Raubbau am Rechtsstaat eigentümliche Stille herrscht. Seltsam witzig ist in diesem Zusammenhang der Beitrag von Michaela Meise, die ein Mikro-Narrativ auf ein Banner geschrieben hat, in welchem sie den Akzent einer Deutschen als so „schwer wie einen ledernen Gestapo Mantel“ beschreibt.

Klare Kante gegen Rechts ist – das kann man fast überall vernehmen – „gut“ und „wichtig“. Aber was heißt das in einer Zeit, in der Rechte bei gutem Wetter neoliberaler sprechen als ein heißgelaufener Christian Lindner, aber bei Regen gemeinsam mit linken Kulturpessimisten versuchen das Erbe einer „klassischen“ Moderne zu retten? Soll es eine Strategie sein, die Gaulands, Straches und Dobrindts dieses Welt als Nazis zu markieren? Raimar Stange erwähnt in einem Begleittext die Möglichkeit eines linken Populismus, der „eine adäquate Antwort auf den grassierenden Rechtspopulismus“ sein könnte. Aber wie das konkret aussehen soll, davon erfährt man relativ wenig.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.