Kunst trainiert für Olympia: „Prozess sinnvoll mitgestalten“
Kampnagel-Intendantin Amélie Deuflhard erklärt, warum sie sich trotz Kritik in die Olympia-Planung des Senats einbeziehen lässt.
taz: Frau Deuflhard, versucht der Hamburger Senat, die Kulturszene für die Olympiabewerbung zu vereinnahmen?
Amelie Deuflhard: Das müssen Sie den Senat fragen. Aber es ist klar, dass der Senat versucht, viele Player dieser Stadt, also auch kritische Menschen und Leistungsträger, einzubinden. Und das ist ja erst mal eine gute Sache.
Geht es darum, KritikerInnen zu integrieren, um ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen?
Kritik, bevor sie richtig aufkommt, zu integrieren: Das macht der Kapitalismus ja immer schon so. Diese Strategie, die zum Kapitalismus dazugehört, verwendet der Senat auch.
130 Kulturschaffende hat Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) zur Ideenwerkstatt eingeladen.
Ziel ist laut der Behörde, ein kulturelles Begleitprogramm für Olympia zu erarbeiten.
Gegner sagen, es gehe nur darum, kritische Geister ins Boot zu holen, um den Senatsplänen alternativen Anstrich zu verpassen. So lautete etwa ein Tagesordnungspunkt: „Was sind die Argumente der KritikerInnen und wie kann man sie entkräften?“
55, leitet seit 2007 die Kulturfabrik Kampnagel. Seit Mai ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen sie, weil sie im Rahmen eines Kunstprojekts Flüchtlinge auf Kampnagel überwintern ließ.
Sie lassen sich also instrumentalisieren?
Ich finde es besser, mitzugestalten, als sich von Anfang an rauszuziehen. Jedenfalls in meiner Position. Nicht wenige Künstler, mit denen wir zusammenarbeiten, sind eher auf der Seite der Olympia-Gegner. Dafür habe ich auch Verständnis.
Aber?
Aber erst Mal kann man ja auch versuchen, den Prozess sinnvoll mitzugestalten. Positiv finde ich zum Beispiel, dass nicht sofort Agenturen eingeschaltet werden und über die lokale Kulturszene hinweg entschieden wird. Institutionen und Einzelpersonen sind dazu eingeladen, selbst Ideen zu entwickeln. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich da gerne mitgestalte, den Prozess aber auch kritisch begleiten werde.
Sie lehnen Olympische Spiele in Hamburg nicht ab?
Ich finde, man muss nicht generell vorab gegen alles sein. Olympia bietet für Hamburg eine Chance, aber birgt auch eine riesige Gefahr. Ich hoffe natürlich, dass dann nicht alles zubetoniert wird, sondern ein Prozess eingeleitet wird, der Umwelt und Nachhaltigkeit berücksichtigt. Da müssen auch kritische und innovative Positionen einbezogen werden.
Braucht Hamburg Olympia denn?
Hamburg ist lange nicht so bekannt, wie viele Leute denken. Olympia bietet die Chance, Hamburg international bekannter zu machen – in diesem Zusammenhang würde das Image einer Kulturmetropole der Stadt gut tun.
Wieso wollen Sie mitarbeiten?
Kultur ist für ein solches Großevent so wichtig, damit es auch groß gedacht wird. Es heißt es vom Senat auch, dass man eine Analyse macht: Was braucht eigentlich die Kulturlandschaft, wo sind vielleicht Lücken? Diese Überlegung gemeinsam mit den Kollegen zu machen, finde ich auch unabhängig von Olympia interessant und wichtig. Sollte sich später herausstellen, dass die Kultur da mehr als Statist gedacht ist, würde mich das sofort nicht mehr interessieren.
Ist da auch Platz für radikale oder grundsätzliche Kritik an Olympia?
Bei dem Treffen letzte Woche ging es nicht um die grundsätzliche Frage, ob man für oder gegen Olympia ist. Raum für so grundsätzliche Fragen sollte aus meiner Sicht aber unbedingt geschaffen werden. Das Ziel ist zunächst, 100 Kulturideen für Olympia in Hamburg zu entwickeln und die dann mit ins Bewerbungsheft zu schreiben. Ich finde es interessant, die Stadt in Bezug auf die Kulturinstitutionen zusammenzudenken.
Haben Sie Forderungen an Olympia in Hamburg?
Soweit sind wir da ja noch nicht. Es wird erst noch überlegt: Was könnte aus der Kunstszene für Olympia kommen? Bei dem ersten Treffen waren Kollegen aus unterschiedlichen Bereichen dabei, da kamen viele interessante Ideen auf. So einen Prozess des gemeinsamen Denkens finde ich interessant.
Es gibt die Forderung, alle Olympia-Bauten hinterher für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Was halten Sie davon?
Soweit ich das überblicke, ist das bauliche Konzept für Olympia mit einem Nachnutzungskonzept verbunden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Olympia-Stadion eine Flüchtlingsunterkunft wird, auch wenn ich das als polemische Forderung okay finde. Man muss da aber auch mal die Kirche im Dorf lassen. Außerdem wäre das ja wieder eine Massenunterkunft. Ich persönlich bin für kleinteilige Unterbringung.
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