: Kunst im Cornershop
Bhangramuffins und Bollywood: Kampnagel präsentiert den indo-britischen Culture Clash ■ Von Georg Harsch
Ein junger Mann mit asiatischem Gesicht in Streetwear und Bandana beißt in einen „Egg McMuffin“. Das Foto des Londoner Künstlers Shez 360 auf dem Plakat zur Ausstellung Crown Jewels, die heute Abend auf Kampnagel eröffnet wird, heißt „Bhangra Muffin“. Ein Begriff, der Anfang der Neunziger in der britischen Musikpresse entstand, als Apache Indian und andere damit begannen, Dancehall-Reggae und die Popmusik des indischen Subkontinent zu verbinden.
Wie in den frühen 80er Jahren die indischen Restaurants, spriesten nun in Großbritannien Bands aus dem Boden, in denen junge Asiaten mit verschiedensten Formen von Pop experimentierten und sich selbstbewusst mit rassistischen Stereotypen und ihrer Situation im Mutterland des Empire auseinandersetzten:Fun-Da-Mental, Cornershop oder die Asian Dub Foundation.
Die Ausstellung Crown Jewels, von der Galeristin Angelika Osterwalder und der Kunsthistorikerin Iris Mahnke in Zusammenarbeit mit Kampnagel und dem British Council organisiert, will nun – mit einem Begleitprogramm Transcultural Vibes from the UK, das Lesungen, Konzerte und eine Filmreihe umfasst – den Blick auf die aktuellsten künstlerischen Ergebnisse des britisch-indischen Culture Clash lenken.
Der Titel der Ausstellung verweist nicht nur auf die erhoffte Resonanz des Projektes beim Kunstpublikum. Hier wird auch, im besten postkolonialen Stil, auf die Zeiten des Empire verwiesen, als Indien „the jewel in the crown“ genannt wurde. Die heterogene Präsentation von gleich neun Künstlern ist ein notwendiger Vermittlungsschritt, da gerade die bildenden Künstler unter den jungen Indo-Briten keine globale Popkulturindustrie im Rücken haben.
Die ausgestellten Werke kreisen thematisch alle um die im Festivaltitel angedeutete, so genannte „Transkulturalität“. In Leuchtkästeninstallationen, Gemälden, Fotos und Videos tauchen europäische Indienbilder, britische Rassismen, Fish & Chips-Buden und Barbie-Puppen in Saris auf, die koloniale und postkoloniale Geschichte wird dokumentiert und mit den aktuellen kulturellen Verhältnissen kontrastiert. Die Künstlerinnen und Künstler, allesamt unter 50, kommen aus den verschiedensten Gegenden der Insel und des ehemaligen Empire, leben aber alle in London. Hier in der Metropole, auch geografisch genau in der Mitte zwischen der anglo-amerikanischen und der subkontinentalen Kultur, entstehen visuelle Verbindungen zwischen Bollywood und Hollywood, europäischer Avantgarde und Migrantenkultur. Und zum ersten Mal in der europäischen Kunstgeschichte sind Inder nicht die Kulis der Inspiration für die exotistischen Fantasien hiesiger Kunstschaffender.
Nach der heutigen Eröffnung der Ausstellung beginnt gleich das Begleit-Festival mit einem Konzert des Londoner Multitalents Nitin Sawhney, dem neben Cornershops Vikram Singh zur Zeit erfolgreichsten anglo-indischen Musiker. Auf seiner letzten Platte beyond skin, die sich inhaltlich vor allem mit dem kalten Krieg auf dem Subkontinent und dem dazugehörigen atomaren Wettrüsten auseinandersetzt, hat er in Kollaboration mit dem Drummer von 4 Hero, Londoner Jazzgrößen und eben Vikram Singh ein Hybrid aus HipHop, Drum 'n' Bass, Qawalla-Gesang und Bollywood-Soundtracks zusammengebraut. Sawhney folgt am Samstag der Ambient-Techno-Frickler Kingsuk Biswas, der mit zwei Hamburger DJs seine Club Research-Experimente zum Tanzen bringen wird.
Am Freitag startet dann die begleitende Filmreihe im Abaton mit East is East, von Damien O'Donnel nach dem Drehbuch von Ayub Khan-Din gedreht. Hier wird der Culture Clash clevererweise in den frühen 70ern, als noch niemand das Wort –Hybridkultur– überhaupt buchstabieren konnte, anhand des Lebens eines Pakistanis, seiner englischen Frau und ihren sieben Kindern gezeigt.
So kommt die britische Regierung ganz neumittig dazu, in Gestalt des British Council ihre postkolonialen Kronjuwelen zu präsentieren – was solls, spaßig und interessant wird es trotzdem.
heute: Kampnagel, Ausstellungs- eröffnung, 19 Uhr, Nitin Sawhney, 21 Uhr; Freitag: Kingsuk Biswa, Kampnagel, 21 Uhr; East is East, Abaton, 21 Uhr
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