Kunst der Woche: Hartnäckig gluckernd
Freibadsaison heißt im Humboldthain Tropez-Saison: Das Kunstprojekt erzeugt auf seinem Gelände ein unterschwelliges Unbehagen. Dazu einen Frozen Rosé!
Sie kommen jetzt, die sehr heißen Tage, an denen man jede freie Zeit in der Nähe eines kühlenden Gewässers verbringt. Auf der weitläufigen Grünanlage des Sommerbads Humoldthain kann man dann etwa wunderbar unter einem der vielen Bäume abhängend die Hitze überbrücken. Wassergeplantsche im Hintergrund, dazu ein Frozen Rosé im Schatten – entspannend.
Würde nicht in hartnäckiger Wiederholung ein Gluckern die Geräuschkulisse in Unordnung bringen. Abwasserrohre hinterm Gebüsch erzeugen diesen ungemütlichen Sound. Ana Alenso hat dort die Elemente einer sonst unter Erde und Asphalt verborgenen Infrastruktur hervorgeholt.
Häufig fragt die Künstlerin in ihren Installationen nach unserem ambivalenten Verhältnis zur Natur und zu ihren Ressourcen, wie hier zum Wasser: Einerseits sind wir von ihm abhängig, andererseits riskieren wir seinen Verlust. Noch sechs weitere Kunstinstallationen sind auf dem Gelände verteilt, denn Freibadsaison heißt seit einigen Jahren im Humboldthain auch Tropez-Saison.
Und in diesem Sommer bringt das Kunstprojekt Tropez ein unterschwelliges Unbehagen, was wohl in diesen Tagen einem Grundgefühl entspricht. Die Performance- und Installationskünstlerin Lungiswa Gqunta zeigt auf einem Flachbildschirm die Nahaufnahme hin und her schwingender Unterschenkel. Die Füße sind mit Scheuerbürsten bekleidet, anstelle von Borsten enden sie mit Streichhölzern. In Zeitlupe gleiten sie über einen Kieselsteinboden, könnten sich jeden Moment entzünden.
Gruppenausstellung „…“: Tropez, Sommerbad Humboldthain, Wiesenstraße 1, Mo–Sa 10–18 Uhr, bis 4. September, www.tropeztropez.de
Kurz vor der Kioskausgabe, wo es manchmal besagten Frozen Rosé gibt, hängen Nadim Vardags abstrakte Serpentinen in einer Vitrine. Das schlingt und windet sich in feinsten Strichen geradezu unheimlich auf dieser Kaltnadelradierung.
Und Isa Melsheimer lässt in einem Wardschen Kasten, mit dem man einst Gewächse aus Überseegebieten auf Schiffen nach Europa transportierte, Lebensmittel ihr Eigenleben entwickeln.
Ein morgendliches Croissant mit Beerengarnitur, die nachmittäglichen Pommes mit Mayonaise, die selbstverständlichen Snacks unserer Sommertage mutieren in den Glaskästen zu etwas nicht ganz Kontrollierbarem.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen