Kunst aus Afghanistan: "Wie im Rausch, wochenlang"
Deutsche Firmen, die Bundeswehr und der "Spiegel" geben sich alle Mühe, eine Ausstellung afghanischer Malerinnen in Berlin zum "Befreiungsakt" zu stilisieren.
Da steht sie, die afghanische Avantgarde. Fernsehteams, Journalisten von Radio und Zeitung scharen sich um die Künstlerinnen. Geduldig stehen diese neben den Kunstwerken, lächeln freundlich und beantworten Fragen, die sich statt auf die Kunst auf ihre Herkunft beziehen, der unique selling proposition der Ausstellung: Afghanistan.
Die Werke von 23 Malerinnen des Center for Contemporary Arts Afghanistan (CCAA) sind seit letzten Donnerstag in der Landesvertretung Sachsen in Berlin zu sehen. Pünktlich zur Eröffnung, erschien im Nachrichtenmagazin Der Spiegel ein Artikel mit dem Titel "Aufstand in Öl". Das Malen der afghanischen Künstlerinnen wird als eine Art Befreiungsprozess beschrieben. "Fühlten sich befreit, waren wie im Rausch, wochenlang," schreibt die Spiegel-Autorin. In Berlin allerdings gaben sich die jungen Frauen verhaltener. Einen direkten Bezug von Kunst und Politik lehnten sie ab und meinten im Gespräch, ihre künstlerische Arbeit solle im Mittelpunkt stehen. Es klingt wie ein Appell, als Künstlerinnen und nicht nur als Afghaninnen wahrgenommen zu werden. Bei der Eröffnung der Ausstellung waren vier der Künstlerinnen anwesend. Sie saßen in der dritten Reihe, die Ehrenplätze in der ersten waren bereits besetzt.
Sachsens Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst Dr. Eva-Maria Stange sprach von "einer ungewöhnlichen Ausstellung", einem "kleinen Wunder". Als Chance müsste man die Kunst begreifen, sie diene als Überlebensmittel, um sich eine eigene Identität und Individualität zu schaffen. Eigene Individualität? Die vier jungen Frauen sind uniform gekleidet: schwarze Tunikas, lange schwarze Hosen, hochhackige Sandalen. Alle vier tragen sie ein rot-grünes Kopftuch. Rot und Grün, das sind neben Schwarz die Farben der afghanischen Nationalflagge. Dann spricht der aus Sachsen stammende Verleger Reiner Militzke, der die Ausstellung unterstützt hatte. Er scheint sich teilweise für das Projekt bis zur physischen Erschöpfung verausgabt zu haben. Akribisch zählt er schließlich die Namen der beteiligten Firmen samt Geschäftsführern auf, sein Dank kennt keine Grenzen. Den Transport der Bilder aus Afghanistan habe die Bundeswehr ermöglicht. Anschließend erfährt man aus der Rede von Professor Rahraw Omarzad vom CCAA, dass die Ausstellung in Berlin einer Mutprobe gleiche.
Die Künstlerinnen selber vermeiden solche Statements. Die Bilder der Frauen enthalten Versatzstücke moderner Malerei, Anleihen an Expressionismus, Dadaismus, Pop-Art usw. Auch die traditionellen, folkloristischen Elemente sind enthalten, ein vages Sammelsurium der Stile, nicht sehr ausgereift.
Etwas unbeholfen wird gegen Ende der Eröffnung eine der Künstlerinnen nach vorne gebeten. Dass es nicht die letzte Ausstellung werden möge, wünscht sich die 21-jährige Malerin Sheenkai Alam Stanikazai. Und die sächsische Ministerin stellt lobend fest, die junge Afghanin habe das - die Rede also - "ganz hervorragend gemacht." Dann reihen sich die vier jungen Frauen mit der Staatsministerin auf ein letztes Foto. Der Verleger quetscht sich noch dazu, ebenso Rayan Abdullah, Professor in Leipzig und Betreiber einer PR-Agentur. Im Hintergrund wird afghanische Musik abgespielt, sie klingt wie aus einem alten, krächzenden Kassettenrekorder.
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