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Kulturstadt BerlinArm, sexy und teuer

In Berlin gibt es einen Überfluss an Kreativität. Nur: Was arm, aber sexy begann, wird irgendwann teuer. Das dämmert auch Klaus Wowereit.

Jetzt müssen die Kreativen zahlen. Aber dabei bitte immer schön sexy bleiben. Bild: Seleneos / photocase.com

BERIN taz | Gemessen an China ist Berlin ein reiches Land. Zwar steht die deutsche Hauptstadt mit 60 Milliarden in der Kreide. Doch Berlin besitzt den wichtigsten Rohstoff des postfordistischen Zeitalters überhaupt: Kreativität.

Tag für Tag treibt die Liebe zur Kultur junge, experimentierfreudige Menschen in die Stadt, die jene "kreative Klasse" formieren, die für den amerikanischen Ökonomen Richard Florida den Wohlstand der Zukunft schafft. Genau daran mangelt es aber China. Dort boomt zwar die Wirtschaft. Doch "dem ganzen Land fehlt es in jeder Hinsicht an Kreativität", schreibt der chinesische Künstler Ai Weiwei in seinem verbotenen Blog.

Das Problem mit diesem flüchtigen Rohstoff ist nur, dass keiner so recht weiß, wie man ihn an einem Ort festnagelt. Auch Klaus Wowereit, sagenumwobener Bürgermeister des Kultur-Eldorados an der Spree, wusste es am Montag nicht wirklich. "Kreativ Macht Berlin", der Titel der Podiumsdiskussion, zu dem die SPD-Zeitung Vorwärts in die Berliner Kulturbrauerei geladen hatte, zeigte aber immerhin, dass die glänzende Kreativmedaille zwei Seiten hat, nicht nur in Berlin.

"Reicher werden, sexy bleiben"

Zwar haben sich die einstigen Subkulturen zu einem "Kreativcluster" von knapp 30.000 Klein- und Kleinstunternehmen ausgewachsen. Doch wenn in der Stadt über Kultur gesprochen wird, geht es fast nur noch um Designerstudios und Musikverlage, die Fashion-Week oder Club-Events, um Umwegrentabilitäten und Kreativkapital. Der Slogan "Reicher werden, sexy bleiben", mit dem die SPD an diesem Abend ein legendäres Wowereit-Zitat wahlkampftauglich weiterentwickeln wollte, bringt das ganze Dilemma auf den Punkt. Je mehr prekäre Kulturexistenzen die Stadt mit dem Versprechen auf kreative Selbstverwirklichung anlockt, desto lukrativer wird sie für Investoren. Können die Kreativen da auf Dauer mithalten?

Inzwischen schwant auch Wowereit, dass teuer wird, was arm, aber sexy begann. "Da kommt ein richtiger Druck auf die Kreativen zu", gab er mit Blick auf die Folgewirkungen des grassierenden Kreativbefalls wie Gentrifizierung und Mietpreissteigerung zu. Doch nur mit subventionierten Ateliers und Mikrokrediten dürfte er kaum verhindern können, dass die Urheber dieses Booms abwandern, wenn Berlin für sie unbezahlbar zu werden beginnt.

Denn das Elend der Selbstausbeutung derjenigen, die die Autorin Katja Kullmann ironisch "Mikropreneure" auf Rechnung der Eltern in Westdeutschland, dann wieder sarkastisch "Tagelöhner" im "Hochofen des Gedankenkapitalismus" nannte, kann auch ein Regierender Bürgermeister nicht beheben. Dazu müsste er schon Bundesarbeitsminister werden. Wenn Berlin anfängt, in seinen Kulturinstitutionen einen Mindestlohn zu zahlen, wie im Etatentwurf für die Jahre 2012/13 eingestellt, kommen schnell Millionen zusammen. Die dann wieder für kreative Projekte fehlen.

"Früh aufstehen"

Vermutlich bräuchte Wowereit für ein robustes Gegensteuern auch mehr und andere Verbündete als die zwei Vorzeigekreativen, die er sich eingeladen hatte. Mag sein, dass bei denen auch mal "zu viel gejammert" wird, wie es der Berliner Modemacher Michael Michalsky beobachtet haben will. Und es eine "verselbstständigte Haltung" gibt, immer gleich nach dem Staat zu rufen, wie es die DJ-Legende Paul van Dyk beklagte. Die Zuhörer staunten nicht schlecht, als die zwei Stars der Szene ihren 200.000 weniger erfolgreichen Kollegen rieten, mehr Risikobewusstsein zu zeigen, früh aufzustehen und sich "in die Arbeit zu knien". Philipp Rösler hätte seine Freude an den beiden Neoliberalen.

Wenn sich Berlin schon so gern mit dem Label der Kreativ- und Kulturstadt brüstet, müsste sich das politische Handeln in der Stadt endlich der Rhetorik anpassen. In Berlin macht der Anteil der Kulturausgaben am Gesamthaushalt der Stadt steigerungsfähige drei Prozent aus. Und einen eigenen Senator für Kultur könnte diese Welthauptstadt der kreativen Künste auch vertragen. Doch zu der Ankündigung, Kultur und Kreativwirtschaft nach der Wahl im September in einem Querschnittsressort mit einem Mann an der Spitze zusammenzufassen, der nicht er selbst ist, wie in den letzten fünf Jahren, mochte sich Wowereit an diesem lauwarmen Sommerabend nicht durchringen. Obwohl es seine Berater im Vorfeld angedeutet hatten.

Womöglich ist das auch gut so. Angesichts der Goldgräberstimmung in Sachen Kreativwirtschaft wünscht man sich nämlich einen Begriff von Kultur zurück, der sie nicht immer nur über ihre ökonomischen Effekte zu legitimieren sucht. Sonst ähnelt Berlin dann doch bald China.

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14 Kommentare

 / 
  • Q
    Querulant

    Arm aber sexy... so fängt es an, mit der Prostitution...

  • WB
    Wolfgang Banse

    arm und sexy allein reicht nicht aus

    Arm und sexy sein,Worte die der regierende Bürgermeister Klaus Wowereit immer wieder von sich gibt,auf das Stadtstaat Berlin,dies reicht bei weitem nicht aus,um wettbewerbsfähig unter den städten in Deutschland zu sein.

    Der Stadtstaat ,der zugleich auch Bundeshauptstadt ist,sollte eine Vorbildsfunktion haben,was aber nicht gegeben ist.

    Klaus Wowereit istbein Spaßmacher und Partygänger,dies allein reicht aber bei weitem nicht aus um den Stadtstaat Berlin auf Hochglanzpapier hin zu stellen.Probleme die die Stadt Hat,sollten nicht vor sich hingeschoben werden,sondern angepackt und gelöst werden.

  • KW
    Karsten Wenzlaff

    Disclaimer: Ich war bei der Veranstaltung und arbeite beim vorwärts Verlag.

     

    Es gibt ein paar spannende Punkte in dem Artikel, aber auch einige Sachen, die ich falsch finde.

     

    Ein Beispiel: Ein eigener Kultursenator. Wenn man mal in der Kreativwirtschaft in anderen Städten herumfragt, dann hört man sehr oft, dass die Kulturbeauftragten der Städte keinen Draht in den Senat oder beim Bürgermeister nicht ernst genommen werden.

     

    Man muss es Wowi lassen - dadurch, dass er Kultursenator war, hatten die Kulturschaffenden und Kreativen einen direkten Draht, anders als in anderen Städten.

  • CB
    Crushed by the wheels of industry

    Richard Florida ist eine pseudo-wissenschafliche Dumpfbacke und alles, was er schreibt, gehört sofort ins Altpapier. Das Problem ist, daß das genau die Sorte von neoliberalem Sondermül ist, den die Politiker und vor allem ihre Spindoctors am liebsten lesen und sich immer wieder darauf beziehen, ohne daß jemand mal sagt, was das für ein ahnebüchener Schrott ist, der zur Ansiedlung von Schwulen und Rockbands sowie zur Vertreibung von Prolos und (Gast-)arbeitern rät.

    Das muß erstmal raus aus den Köpfen, ebenso wie die Vorstellung, daß die Kreativwirtschaft und Kunst ins selbe Ressort gehören sollen. Kulturindustrie und Kunst stehen sich diametral gegenüber und sollten radikal getrennt werden. Wenn hier über das florieren einer kreativen Kulturszene nachgedacht wird, geht es doch immer nur um deren Prosperität und folgerichtig -in Gedanken an Wachstum und Standortattraktivität- um die Unterwerfung der Kunst unter die ökonomisiernde Aufteilung in Gewinn oder Verlust. Mit dem Resultat, daß sich Kunst, kann sie nicht die passenden Produktionsmittel aufbringen, um möglichst massenwirksame Präsentationen "durchzusetzen", nur noch der übermächtigen Kreativwirtschaft hinterherhinkt. Es gab mal Zeiten, in denen hat die Kreativwirtschaft den Künsten nachgeeifert. Kommt mir jetzt bloß nicht mit der 2ten Moderne...

  • DL
    der lentz

    @ingo

    ääh

    nein

    kreativ = schöpferisch

    das können ingenieure schon sein

    auch wenn der maschinist eigentlich ein umsetzer ist

    aber anwälte definitiv nicht

    auch wenn die arbeit vlt geistig anregend ist

    das kann buchhaltung bei entsprechend komplexen vorgängen auch sein.

    kreativ ist zwar ein modernes,aber hier nicht anwendbares siegel.

  • EM
    @Eure MEinung

    Google:

     

    Dein Freund und Helfer! :)

     

    http://www.taz.de/!73756/

  • DL
    der lentz

    wie immer

    seit der maueröfnung hatt berlin 3 mal den zyklus von mietexplosion bis zur pleite der mieter, daraus folgendem wirtschaftskolaps incl.lehrstand,anschliessender pleite der vermieter die auf pump gekauft haben, massenflucht der einwohner aus verödeten quartieren, anschliessender mietsenkung um die wohnungen und gewerbeflächen(da giebts immernoch einen riesenlehrstand) zumindest kostendekend zu füllen und zwangsversteigerung der reste derer die sich übernommen haben.

    das der letzte so lange her ist liegt nur daran das nach dem letzten mal lange niemand geld in die hand nahm um es noch berlin zu tragen - vor 3jahren aber hatt die amnesie wieder eingesetzt, als hätten wir das alles noch nicht gehabt.

    mag auch daran liegen das mitlerweile aussereuropäisches kapital angeworben wird - die habens wirklich nicht mitgekriegt.

  • I
    ingo

    Mit kreativer Klasse meint die Ökonomie nicht nur schlecht bezahlte und unproduktive Webgrafiker, sondern auch Ingenieure und Anwälte. Auch München ist eine besonders kreative Stadt. Die jungen Touristen kommen freilich nicht wegen denen nach Berlin.

    Aber es wäre schön, wenn Berlin in kreativen Berufen den Weltanschluss fände. Es ist ein Irrtum zu glauben, Berlin sei in kreativen Berufen überall hervorragend aufgestellt.

  • 4
    42er

    Berlin als Kreativstadt?!

     

    Da braucht man sich doch nur die Mietpreisentwicklung und die Projekte in Berlin anzuschauen, die angeschoben werden, um zu sehen wie nachhaltig diese Entwicklung sein kann... Noch gibt es ja ein paar Freiräume in der Stadt, aber wie lange noch?

    Entweder man tut etwas aus Überzeugung oder man lässt es lieber sein.

  • EM
    Eure Meinung

    Etwas OT wie man in Blogs sagen würde (auch wenn es Berlin betrifft), aber mich interssiert die Meinung der taz.

     

    Eure Zeitung setzt sich ja sehr stark für die multikulturelle Gesellschaft ein. Zugleich gehe ich davon aus, dass Ihr als linke Zeitung gegen Homesexuellen-Hass seid (war übrigens wirklich schon lange kein Thema mehr bei Euch!).

     

    Nun gibt es in Berlin einer "Migranten-Partei". Diese hetzt offen gegen Homosexuelle.

     

    http://www.facebook.com/photo.php?fbid=236438589723753&set=a.236438506390428.65576.211692032198409&type=1&theater

     

    Was haltet Ihr von einem Beitrag zu dem Thema? Ich denke, das wäre gerade im Hinblick auf den Wahlkampf interessant und insgesamt sehr wichtig.

     

    Falls Ihr das Thema aufgreift, schon jetzt DANKE!

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    "Man trennt die Kraft von dem, was sie kann", Gilles Deleuze, Kreativphilisoph.

  • EM
    Ernst Michel

    Ich kann's nicht mehr hören: das Gequatsche von den "Kreativen" in Berlin. Wo stecken die eigentlich und wie äußert sich das im Stadtleben?

    Schaue und höre ich mir mal die öffentlich-rechtlichen Medien an (RBB) wende ich mich mit Grausen ab. Da ich selbst mal einige Jahre beim SFB gearbeitet habe, weiß ich durchaus, wovon ich rede. Diese Sendeanstalt ist ja wohl innerhalb der ARD das Dumpfbackigste, Provinziellste und Unkreativste, das man sich vorstellen. Allenfalls noch unterboten vom MDR! Was für ein grausamer Abstieg!

    Die private Konkurrenz ist kaum kreativer - nur noch lautstarker!

    Die Presselandschaft Berlins strotzt nun auch nicht gerade von Kreativität und Innovation. Tagesspiegel, MoPo, Berliner Zeitung und BZ? Schnarch!

    Also wo stecken die "Kreativen"?!

    Ich habe ja den Verdacht, mit diesen "Kreativen" sind in erster Linie die Reklamefuzzis und Internetfrickler gemeint.

  • L
    Luise

    Berlin ist jetzt schon nicht mehr sehr sexy, jedenfalls für Künstler und Kreative des Nichtmainstreams. Die Stadt ist schlichtweg ziemlich schickimicki geworden (nicht nur teuer), zb. mit Einkaufszentren, die so aussehen wie auch sonst überall, nämlich abgeschmackt. Gibt natürlich welche, denen das gefällt. Aber das sind sicher nicht die, die man mit "arm und sexy" meinen wollte (zb. die netten Chaoten aus dem Tacheles, die die letzten dieser wundervollen Sorte in der ganzen City sind). Die reagieren nämlich durchaus empfindlich auf den gepushten Schick, weil es das ist, wovor sie eigentlich Ruhe wollen.

     

    Kann mir beim gegenwärtigen Trend nicht vorstellen, dass Berlin noch lange so einen Kulturstadt-Ruf haben wird. Vielleicht noch eine Dekade, wenn überhaupt. Die Atomkraftwerke werden jedenfalls länger stehen. Gehe eher davon aus, dass das so ein Juristen/Betriebswirtschafts/Deinstleistungs-Massen-Loch wird, so wie Frankfurt am Main (uuuuuh...*schüttel*).

     

    Wenn man jedenfalls nach 21 Jahren die Leute aus dem Tacheles werfen will, dann braucht man sich auch nicht mehr wundern, dass man nicht nur die rauswirft, sondern einen ganzen Spirit (den nannte man eben "arm und sexy"). Aber Wowi geht ja wohl auch eher selten an Orte, wo man sich ein Bier für 2€ an ner Bude holt, an der es nicht mal Schammpackner gibt. In Wahrheit freut der sich doch.

  • L
    LilalauneBär

    Ruhrgebiet...