■ KulturenDialog:: Thema: Musik und kulturelle Identität
Wie die Ethnologie steht auch die Musikethnologie am Ende des 20. Jahrhunderts in einer Phase der Umorientierung. Im Rahmen unserer Serie „KulturenDialog“ beschäftigt sich heute der Musikethnologe Veit Erlmann mit den Problemen seines Wissenschaftsbereichs im Zeitalter der Weltmusik.
Vor etwa einem Jahrhundert, als das Fach Vergleichende Musikwissenschaft – Vorläufer der heutigen Musikethnologie – entstand, war es ihr letztendliches Ziel, die universalgeschichtlichen Ursprünge von Musik zu erklären: Die Musik „primitiver“ Völker galt damals als Vorstufe der europäischen „Hochkultur“. Spätestens in den fünfziger Jahren, als solche evolutionistischen Vorstellungen aufgegeben wurden, erkannten die Forscher ein neues Ziel darin, vermeintlich von der „Verwestlichung“ bedrohte „traditionelle“ Musikkulturen vor ihrem Verschwinden wenigstens noch zu dokumentieren. Modernisierungsprozesse und interkultureller Austausch wurden daher vernachlässigt.
Während nun seit den achtziger Jahren gerade diese gegenwärtigen Prozesse kultureller Vermischungen international immer mehr zum wichtigsten Themenfeld des Fachs werden, scheinen viele deutsche Musikethnologen über die Aufgaben und Ziele ihres Faches derzeit noch unentschlossen. International, so warnt Erlmann, drohe das Fach daher den Anschluß an den internationalen Diskussionsstand zu verlieren. Wenn nämlich die neuere Kulturanthropologie mittlerweile anstelle von festen „Ethnien“ eher von subjektiven, wandelbaren, sich mitunter auch überschneidenden ethnischen und kulturellen Identitäten ausgeht, so sollte die Musikethnologie anstatt vermeintlich objektiver musikalischer Strukturen auch diskursive Prozesse innerhalb umfassender „kultureller Felder“ untersuchen. Martin Greve
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