: Kultur-Leerstand im „Problembezirk“
■ Wie das brachliegende Ballhaus Tiergarten genutzt werden kann, wird heute abend erörtert / Viele sind zuständig
Wie Dornröschen hinter der Dornenhecke verschwindet das leerstehende Ballhaus Tiergarten in der Perleberger Straße seit eineinhalb Jahren hinter einem undurchdringlichen Geflecht von Zuständigkeiten. An dem Gewirr beteiligt sind mindestens vier Senatsverwaltungen einschließlich diverser Unterabteilungen, eine Bundesbehörde als Sachwalterin des Eigentümers und das Bezirksamt Tiergarten. Als Prinzen zur Rettung der schlafenden Schönen konkurrieren noch immer die Baugesellschaft Becker und Kries, der Theaterregisseur Burckner und die Tiergartener Kulturinitiative MO21. Die Verträge zwischen Becker und Kries und der Bundesbehörde waren vor der Wahl fast perfekt; ein zehnstöckiger Wohnturm sollte den Garten fürderhin schmücken. Vor einer Woche hat der Landeskonservator Haus und Garten endgültig unter Denkmalschutz gestellt; allerdings hat der Eigentümer dagegen noch ein Klagerecht.
Im Bezirksamt Tiergarten bastelt man auf Beschluß der SPD/AL-Mehrheit der Bezirksverordneten erneut an einem Plan, der Wohnbebauung ausschließen soll; jedoch blockiert die CDU noch immer die Verabschiedung, weil sie seit Monaten die Konstituierung des neuen Bezirksamtes verhindert. Die Senatsverwaltung für Finanzen, die das Grundstück kaufen müßte, um es kulturell nutzbar zu machen, verweist auf die Senatsbauverwaltung. Dort erhält man die Auskunft, der Herr Senator wolle „demnächst die Problembezirke besuchen“. Etwas konkreter die Auskunft bei der Kultursenatorin. Hatte dort Herr Hassemer noch eine Senatsvorlage zur finanziellen Unterstützung des Burckner-Konzeptes eingebracht, hört man jetzt, Frau Martiny habe diese wieder zurückgezogen; alle Bewerber würden „erneut überprüft“.
Hoffnung also wieder für die Tiergartener Initiative MO21, die in der letzten Aprilwoche mit einem einwöchigen Kulturprogramm für ihr Anliegen eines Kultur- und Nachbarschaftszentrums werben wird. Konkurrenz belebt: Auch Burckner wird mit einer „Exposition Lehrter Straße“ sein kommerziell ausgerichtetes Konzept eines Kulturzentrums für den Berliner Norden der Öffentlichkeit näher bringen.
Unter dem Titel „Ballhaus einst und jetzt und...?“ lädt die Stadtbücherei Tiergarten heute abend zu einer Podiumsdiskussion. Es bleibt zu hoffen, daß die geladenen Bezirkspolitiker und die konkurrierenden Kulturbewerber endlich ein Ausrufungszeichen setzen und das Ballhaus aus seinem Dornröschenschlaf holen, bevor es völlig verfällt.
Sigrid Bellack
Heute, 20 Uhr, Bruno-Lösche-Bücherei, Perleberger Straße 33, 1/21
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