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Künftige schwarz-rote BundesregierungTschüss Berlin, hallo Berlin

Der Koalitionsvertrag steht, doch wer wird Minister? Vier Senatsmitglieder waren dafür im Gespräch. Doch stadtintern wechselt offenbar nur Joe Chialo.

Regierungschef Wegner muss sich wohl einen neuen Kultursenator suchen: Joe Chialo (beide CDU) soll auf die Bundesebene wechseln Foto: Jörg Carstensen/dpa

Berlin taz | Die SPD-Frauen hatten nach paritätischer Postenvergabe im Bundeskabinett gerufen, die CDUlerinnen bedrängen ihren Parteichef Friedrich Merz auf gleiche Weise. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wiederum forderte drei Kabinettsposten für Ostdeutsche. In dieser Gemengelage gab es in Berlin seit Wochen nicht durchweg seriöse Spekulationen, dass vier Senatsmitglieder für den stadtinternen Jobwechsel infrage kämen und Senatsverwaltung mit einem Bundesministerium tauschen könnten. Tatsächlich, so die taz-Quellenlage zu Redaktionsschluss am Mittwoch, betrifft das bislang aber nur Kultursenator Joe Chialo.

Joe Chialo, Felor Badenberg, Katharina Günther-Wünsch (alle CDU), Franziska Giffey (SPD): Diese vier Namen waren in jenen am Rande unter Politikern wie Journalisten stets gern geführten Spekulationen immer mal wieder aufgetaucht, mal als Wünsch-dir-was, mal als Ergebnis politischer Logik.

Kultursenator Chialo galt dabei bereits als möglicher Nachfolger der bisherigen Kulturstaatsministerin Claudia Roth von den Grünen, als er vor zwei Jahren in den Senat kam: Bundesvorstandsmitglied, Migrationshintergrund, politischer Seiteneinsteiger, nicht auf als elitär verschriene Hochkultur beschränkt, das hat die Union bundesweit sonst nicht zu bieten. Der CDU war Chialo erst 2016 beigetreten. In den 90ern war er Grünen-Mitglied, bevor er wegen des in einem Trommelfellriss endenden Farbbeutelwurfs auf den damaligen Außenminister Joschka Fischer 1999 wieder austrat.

Als Kultursenator umstritten

Gemessen an landespolitischen Erfolgen hatte sich Chialo zwar nicht unbedingt empfohlen. Selbst CDUler fühlten sich etwa überfahren, als er quasi im Alleingang einen Umzug der Zentral- und Landesbibliothek in die Galeries Lafayette vorschlug – und sich auch durch Berlins miese Finanzlage nicht von dem mit weit über einer halben Milliarde Euro veranschlagten Projekt abbringen ließ. Als es später dann um Kürzungen im Kulturhaushalt ging, empfanden sich viele Institutionen zu wenig von Chialo geschützt und dann auch nicht ausreichend informiert über das anstehende Streichkonzert.

Das aber hat nach Stand von Mittwochnachmittag den designierten CDU-Kanzler Friedrich Merz nicht davon abgehalten, ihn als ersten Schwarzen in die Bundesregierung zu berufen. Formal ist sein Posten zwar nur der eines Staatssekretärs, der im Kanzleramt Staatsminister heißt. Aber an Claudia Roth und noch mehr an deren Vorgängerin, der Berlinerin Monika Grütters (CDU), lässt sich ablesen, dass er als Kulturstaatsminister eine herausragendere Rolle als mancher Bundesminister spielen kann.

Bei einem zweiten Namen aus der Berliner CDU war es ausdrücklich die fachliche Kompetenz, die Justizsenatorin Felor Badenberg – erst seit Mai 2024 Parteimitglied – ins Gespräch brachte. Als vormalige Vizechefin im Bundesamt für Verfassungsschutz galt sie als profiliert, in Berlin setzte sie behördenintern gegen Widerstände überfällige Reformen durch.

Wie ihre Chancen als mögliche Justizministerin CDU-intern standen, wurde am Mittwochnachmittag unwichtig: Das Ministerium soll an die SPD gehen. Das aber immerhin mit einer anderen Frau aus der Region: Offenbar soll es Sonja Eichwede machen, aus Bremen stammende und erst 37-jährige Brandenburger Bundestagsabgeordnete.

Spekulationen um Günther-Wünsch

Der Tagesspiegel hatte eine weitere CDU-Frau ins Gespräch gebracht, die Tageszeitung nd verortete sie bereits konkret: Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch solle als Staatssekretärin ins Bundesbildungsministerium wechseln. Geboren und aufgewachsen in Dresden, würde sie auch die Ostquote bei der CDU erfüllen. Aber warum sollte sie sich als frei schaltende Landesministerin freiwillig zur Zuarbeiterin und bloßen Stellvertreterin einer Bundesbildungsministerin degradieren?

Weil, so hieß es, die CDU dann ein Problem weniger habe, denn dann würden Günther-Wünsch und ihr Lebensgefährte, Regierungschef Kai Wegner, nicht länger gemeinsam im Senat sitzen. Ohne Günther-Wünsch aber hätte die Berliner CDU nicht ein Problem weniger, sondern eines mehr. Denn wer sollte sie, die auch von der Opposition wegen ihrer Bildungsexpertise respektiert wird, im Senat ersetzen? Wer an ihrer Stelle im Abgeordnetenhaus ähnlich souverän auftreten?

Im Vergleich zur Causa Günther-Wünsch erschien die einzige Spekulation auf SPD-Seite schon fast realistisch. Franziska Giffey, die ehemalige Bundesfamilienministerin und Regierende Bürgermeisterin, müht sich zwar nach Kräften als Wirtschaftssenatorin. Aber sie wirkt nicht so, als haben sie darin ihre wahre Berufung gefunden. In einer vom linken Parteiflügel dominierten Berliner SPD aber wird sie kaum nochmals Spitzenkandidatin für die kommende Abgeordnetenhauswahl werden.

Offiziell erst nach Mitgliederbefragung

Was SPD-Chef Lars Klingbeil – jeder Koalitionspartner wählt selbstständig seine Minister aus – hätte dazu bringen können, bei ihr anzurufen? Ostdeutsche Wurzeln und überregionale Bekanntheit, die wenige SPD-Frauen haben, dazu die Fähigkeit, Politik nahezubringen. Als Chefin des vermeintlich nachrangigen Familienministeriums – das unter Exkanzler Gerhard Schröder (SPD) unter „Gedöns“ lief – machte sie zwischenzeitlich die Politik mit Begriffen wie dem „Gute-Kita-Gesetz“ verständlicher.

Am Ende kann aber bisher nur Chialo „Tschüss Berlin, hallo Berlin“ sagen und den Job wechseln. Offiziell soll alles erst nach der SPD-Mitgliederbefragung werden. Auch die Besetzung der Staatssekretärsposten steht noch aus – und damit auch die Antwort auf die Frage, ob Günther-Wünsch tatsächlich wider alle Logik wechselt.

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