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Kuckucksnest Komplex

Seit 20 Jahren ist FSK mit unermüdlichen Ideentransfers eine sichere Nummer in der hiesigen Gegenkultur  ■ Von Felix Bayer

Der Zufall wollte es, daß ich im Mai 1997 den Klagenfurter Literaturwettbewerb in einem Hotelfern-seher in einer Kopenhagener Trabantenstadt verfolgte. Thomas Meinecke las da Auszüge aus seinem Roman Tomboy. Judith Butler kam darin ebenso vor wie die Band Sleater-Kinney, und die feministische Literaturwissenschaft-lerin Silvia Bovenschen war in der folgenden Diskussion Meineckes einzige rückhaltlose Fürsprecherin. Meinecke wirkte super in der Hochkulturrunde: „Einer von uns“, dachte ich, ohne das „wir“ benennen zu können. Ein winziges Stückchen persönliche Erinnerung an eine Band, die 20 Jahre Geschichte mit sich herumträgt: die Geschichte der handelnden Personen, aber auch die Geschichte von 20 Jahren gegenkultureller Ablehnung gegen den deutschen Mainstream – und sei es manchmal auch nur der Mainstream der Subkulturen.

Die Band heißt FSK, und Thomas Meinecke wird oft als ihr Sprachrohr wahrgenommen. Auch bei dessen Tätigkeit als Romanautor und Radiomoderator gibt es oft Verknüpfungen mit dem Schaffen der anderen Bandmitglieder. Sei es, daß der Romantitel Tomboy von einer Ausstellung von Michaela Melian stammt, oder daß Motive seiner Romane auch in FSK-Liedern auftauchen und andersherum. Aus solchen inhaltlichen Verknüpfungen entstand 1980 auch die Band, die sich damals noch Freiwillige Selbstkontrolle ausschrieb: Meinecke, Melian, Wilfried Petzi und Justin Hoffmann machten eine Zeitschrift namens Mode & Verzweiflung, in der gegen die Innerlichkeit der Hippies und den Irrationalismus in der Alternativkultur mit affirmativem Modernismus angewettert wurde.

FSK sollte die Manifeste zum Klingen bringen, und brachte sie auch auf die Bühne: Vier uniformierte Menschen in einer Reihe spielten zur Rhythmusmaschine. Diedrich Diederichsen war in der Zeitschrift Sounds sehr angetan und schrieb: „Eine Band für die deutsche Intelligenz. Das wäre doch was.“ Das Zitat aus dem Mai 1982 verfolgte die Band auch noch, als sie sich längst davon abgewandt hatte, die „Moderne Welt“ zu feiern.

Eine sehr spezielle Form des historischen Interesses begann mit dem Covern von GI-Liedern und führte über das Album In Dixieland bis zum Entdecken von Jodlern und Polkas der böhmischen Immigranten in Texas. Ein Forscherdrang, der auch in Meineckes Roman The Church Of John F. Kennedy reflektiert wird, und FSK mit David Lowery von Camper van Beethoven einen prominenten Mitstreiter einbrachte. Doch zu den gebrochenen Traditionalismen der Musik protestierten Texte wie „Hitler Lives“ oder „Das Schlechteste Land der Welt“ gegen die verdammenswertesten deutschen Traditionen.

Musikalisch sind FSK inzwischen anderswo angelangt: Auf dem neuesten Album Tel Aviv dominiert das Disco-Schlagzeug des jüngsten Bandmitglieds Carl Oesterhelt, das die auf Stücken wie „Olympiaturm –72“ begonnene Hinwendung zu der popgeschichtlichen Hochzeit von FSKs Heimatstadt München vollendet. Doch FSK treiben auch Fragen um, die von den Postrockern und Indie-Elektronikern im nahen Weilheim inspiriert, aber nicht gestellt worden sind: Wie kann Instrumentalmusik Inhalte transportieren? Mit solchen Fragen sind FSK wieder bei der Aktualität des Pop-Diskurses angelangt, aus dem sie ja einst entstanden waren und den sie scheinbar jahrelang nur von Ferne beobachtet hatten. Und mit Gelassenheit und Erfahrung haben sie auf Tel Aviv mit die schönste Musik ihrer langen Bandgeschichte gemacht.

Sa, 13. Februar, 21 Uhr, Kantine im Schauspielhaus

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