Kritische Studie zur Bankberatung: Mangelhafter Anlegerschutz
Protokolle von Bankberatungen stimmen nur selten mit der Realität überein. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Verbraucher-zentrale Bundesverbands.
BERLIN taz | Knapp dreieinhalb Jahre nach der Lehman-Pleite, bei der zehntausende Kleinanleger ihr Vermögen verloren haben, liegt die Bankberatung in Deutschland noch immer im Argen. Das ist das Fazit einer Studie des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv).
Die Verbraucherschützer haben dabei untersucht, ob die Beratungsprotokolle, die Bankberater seit gut zwei Jahren anfertigen müssen, mit dem Inhalt der Beratung übereinstimmen. „Nicht ein einziges Protokoll enthielt alle relevanten Informationen aus dem Gespräch“, kritisiert Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Die Protokollpflicht war damals eine Konsequenz aus der Einsicht, dass der Anlegerschutz bei Finanzprodukten mangelhaft ist. Eigentlich sollten die Verbraucher gestärkt werden: Sie sollten später etwas in der Hand haben, mit dem sie gegebenenfalls beweisen können, dass sie falsch beraten wurden. Doch in der Praxis ist das Gegenteil der Fall, so Gerd Billen, Vorstand des vzbv. „Die Protokolle dienen vor allem dazu, die Anbieter von der Haftung freizustellen.“
Um die Qualität der Beratungsprotokolle zu untersuchen, hatten die Verbraucherschützer geschulte Testkunden zum Anlagegespräch geschickt. Sie wurden angewiesen, bestimmte Auskünfte wie Einnahmen, Ausgaben und Vermögenssituation auf jeden Fall anzugeben – auch wenn sie nicht gefragt würden. Doch schon diese Angaben tauchten nicht in jedem Protokoll auf.
Nachbesserungen bei Protokollpraxis nötig
„In 55 Prozent der Fälle wurden die Einnahmen und Ausgaben falsch oder gar nicht dokumentiert“, kritisiert Nauhauser. In 90 Prozent der Fälle hielten die Berater den Familienstand nicht fest, Vermögen und Verbindlichkeiten wurden lediglich in einem von 50 Gesprächen korrekt dokumentiert, dass der Testkunde Interesse an ökologisch orientierten Geldanlagen hatte, stand nur in gut einem Viertel der Fälle später im Protokoll.
Insgesamt kritisiert Nauhauser, dass die Fragebögen der Banken häufig nicht geeignet seien, Anliegen der Kunden abzubilden. Zum Beispiel beim Punkt Kenntnisse und Erfahrungen beim Umgang mit Geldanlagen: Es habe Fälle gegeben, in denen die Bank unter anderem Erfahrungen mit „alternativen Investments“ angab – ohne zu erklären, was damit gemeint war.
Der Verband fordert nun einerseits Nachbesserungen bei der Protokollpraxis. Der Gesetzgeber müsse vorschreiben, welche Punkte in der Beratung wie abgehandelt und dokumentiert werden müssten. Darüber hinaus müsse die Beratung auf Provisionsbasis grundsätzlich überdacht werden.
Das Ergebnis der Studie bestärkt eine Untersuchung zur Qualität der Bankberatung der Zeitschrift Finanztest ein halbes Jahr nach der Einführung der Protokollpflicht. Keine der 21 getesteten Banken bekam dabei die Note „gut“ oder „sehr gut“. Eine eigene Auswertung führt zurzeit das Bundesministerium für Verbraucherschutz durch. Man warte die Evaluation ab, so eine Sprecherin, dann werde sich zeigen, ob Änderungsbedarf bestehe.
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