Kritiker über Autobahn-Gesellschaft: „Ganz offen durch die Vordertür“
Auch nach den von der SPD durchgesetzten Änderungen sieht Carl Waßmuth die geplante Infrastrukturgesellschaft als große Gefahr. Denn „die Privatisierung droht weiter“.
taz: Herr Waßmuth, die SPD sagt, es sei ihr gelungen, jegliche Form der Autobahn-Privatisierung zu verhindern. Da müssten Sie sich doch freuen.
Carl Waßmuth: Wenn es stimmen würde, wäre es toll. Aber leider ist das Gegenteil wahr. Die SPD behauptet, sie habe alle Hintertüren geschlossen – aber die Privatisierung kommt ganz offen durch die Vordertür.
Wie das?
Die Zuständigkeit für die Autobahnen wird an eine Gesellschaft privaten Rechts übertragen. Das ist eine formelle Privatisierung.
Aber die Gesellschaft und alle Töchter bleiben zu 100 Prozent in staatlicher Hand.
Das ist nicht entscheidend. Sie können trotzdem Teile des Straßennetzes privatisieren, nämlich über öffentlich-private Partnerschaften, sogenannte ÖPPs, bei denen Privatunternehmen den Straßenbau finanzieren und organisieren und dafür über Jahrzehnte eine garantierte Rendite aus Maut oder Steuern erhalten.
Der 47-jährige Bauingenieur ist Vorstandsmitglied von "Gemeingut in BürgerInnenhand". Dieser Verein engagiert sich auf unterschiedlichen Ebenen gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums.
Solche ÖPP-Projekte gibt es doch auch heute schon.
Das stimmt. Aber durch die neue Konstruktion werden sie erst so richtig von der Kette gelassen. Wegen angeblicher Geschäftsgeheimnisse kann die Gesellschaft jede Transparenz verhindern. Der Bundestag muss künftig nicht mehr zustimmen, sondern kann nur von außen versuchen, Einfluss zu nehmen. Auch die Kontrolle durch den Bundesrechnungshof wird erheblich erschwert.
Das Gesetz: Die Gründung einer privatwirtschaftlich organisierten Infrastrukturgesellschaft, die künftig die Autobahnen betreiben soll, ist Teil des umfangreichen Gesetzespakets, mit der die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern neu geregelt werden sollen.
Die Abstimmung: Wegen diverser Streitfragen wurde das Gesetzespaket, das eine Zweidrittelmehrheit braucht, bereits um zwei Wochen verschoben. Auch jetzt gibt es sowohl in der SPD als auch bei der Union noch Kritiker, die eine Ablehnung angekündigt haben. Entscheiden soll der Bundestag nun am Donnerstag – und per Fristverkürzung bereits einen Tag später der Bundesrat.
Wirklich? Der Bundesrechnunghof, der die ersten Entwürfe scharf kritisiert hat, ist mit dem neuen Vorschlag zufrieden.
Ich habe auch gesehen, dass sie sich so äußern. Verstehen kann ich das nicht. Wichtige Forderungen des Rechnungshofs, etwa ÖPPs auf 10 Jahre Laufzeit oder 500 Millionen Volumen zu beschränken, wurden ignoriert. Beschlossen wurde lediglich eine 100-Kilometer-Begrenzung. Und die ist ein schlechter Witz, denn alle bisherigen Autobahn-ÖPP-Strecken sind kürzer.
Immerhin haben die Kritiker auch erreicht, dass es künftig ÖPP nur auf Einzelstrecken geben soll. Große Netze werden im Grundgesetz verboten.
Das ist ein Ablenkungsmanöver. Solche Netz-ÖPPs gibt es bisher nirgends. Es wird also etwas ausgeschlossen, was gar kein Problem ist, damit die normalen ÖPPs plötzlich klein und harmlos wirken. Dabei sind die das eigentliche Problem für den Steuerzahler – und das eigentliche Ziel der privaten Investoren.
Die Gewerkschaft Verdi, die bisher mit Ihnen zusammen gegen die Infrastrukturgesellschaft gekämpft hat, scheint mit dem Kompromiss leben zu können.
Verdi ist weiterhin Mitglied in unserem Bündnis. Für die Gewerkschaften ging es neben der Privatisierungsgefahr auch um die Rechte der Beschäftigten. Da haben sie offenbar einiges erreicht. Aber das Hauptproblem, die Privatisierung droht weiter – das sieht auch Verdi so. Wenn die SPD diese wirklich verhindern will, muss sie am Donnerstag im Bundestag gegen das Gesetz stimmen.
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