: Kritik in Israel nach Tod von Soldaten
Nach der gescheiterten Festnahme eines Hamas-Führers werden neue Anschläge befürchtet. Rohrbombe gefunden
JERUSALEM taz ■ Israels Militärs und Politiker müssen sich unangenehme Fragen gefallen lassen, nachdem drei Soldaten der Eliteeinheit Duvdevan (Kirsche) bei einer Antiterroraktion allem Anschein nach irrtümlich von ihren eigenen Kameraden erschossen worden waren. Der meistgesuchte Führer der islamistischen Hamas, Machmud Abu-Hanud, dessen Ergreifung die Militäroperation gegolten hatte, konnte in die autonome palästinensische Stadt Nablus entkommen, wo er von palästinensischen Sicherheitskräften in Gewahrsam genommen wurde. Dort soll er vor Gericht gestellt werden.
Die Operation, die Samstagnacht im palästinensischen Dorf Assira Schamalijeh bei Nablus stattgefunden hatte, war bereits am Sonntag von Generalstabschef Schaul Mofaz in ungewöhnlich rascher Offenheit als „ernsthaftes Fiasko“ bezeichnet worden. Auch Ministerpräsident Ehud Barak sprach von einem „schweren, schmerzhaften Unfall“. Da eine Untersuchung der verwendeten Munition zur Feststellung der involvierten Schusswaffen ausreicht und die Soldaten bereits bestattet wurden, dürfte sich der Verdacht schon am Sonntag bei Post-mortem-Untersuchungen bestätigt haben.
Die Elitetruppe war kurz vor Ausbruch der Intifada ins Leben gerufen worden. Sie galt als perfekt trainiert, informiert und risikobereit. Doch wie die Tageszeitung Haaretz gestern berichtete, gab es seit 1990 bereits 18 „Arbeitsunfälle“, bei denen 14 Soldaten durch Kameraden erschossen und 15 verwundet wurden. Nach der Schlappe von Assira Schamalijeh wird Duvdevan sowohl ihr Image als auch die eigene Moral aufpolieren müssen.
In den Palästinensergebieten wird Abu-Hanud nun als Held gefeiert. Der arabische Knessetabgeordnete Achmed Tibi wies auf das Risiko hin, die israelische Militäroperationen in palästinensischen Dörfern prinzipiell darstellen. Vor allem die Demolierung des Elternhauses von Abu-Hanud sei dazu angetan, der Hamas neue Freiwillige für Selbstmordattacken zuzuführen.
Die Liquidierung des Hamas-Aktivisten Jichje Ajasch hatte vor vier Jahren tatsächlich eine Anschlagsserie in Israel ausgelöst. Nicht nur die Familien der toten Soldaten fragten gestern, ob die Öffentlichkeit von einer militärischen Untersuchungskommission klare Antworten zum eigenen Versagen erwarten könne.
Am Sonntagabend entschärfte die Polizei eine 1,5 Kilo schwere Rohrbombe an einer verkehrsreichen Kreuzung in Jerusalem. Die Bombe war in einem Rucksack versteckt, der von aufmerksamen Passanten entdeckt wurde. Die Polizei nimmt an, dass der Rucksack von islamistischen Extremisten gestern oder heute in das nahe gelegene dreistöckige Malcha-Einkaufszentrum transportiert und gezündet werden sollte, das in den letzten Tagen der Sommerferien vor allem von Frauen und Kindern fequentiert wird. ANNE PONGER
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