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Kritik an geplanten Entlastungen„Ein schlechter Witz“

Die Ampelkoalition will Bür­ge­r:in­nen wegen der hohen Energiekosten finanziell entlasten. Sozialverbände kritisieren, die Pläne reichten lange nicht aus.

Die Entlastungen für arme Menschen sind zu gering, um die Mehrkosten aufzufangen Foto: Ute Grabowsky/imago

Berlin epd/afp | Die Ampelkoalition plant angesichts gestiegener Energiekosten Entlastungen für die Bürger. Doch Sozialverbände kritisieren die Pläne, auf die sich SPD, Grüne und FDP am Mittwoch im Koalitionsausschuss geeinigt haben.

SPD, Grüne und FDP hatten unter anderem vereinbart, die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bereits ein halbes Jahr früher als bislang vorgesehen zum 1. Juli abzuschaffen. Empfänger von Grundsicherung und Arbeitslosengeld II bekommen einmalig 100 Euro ausgezahlt. Die Abschaffung der EEG-Umlage, die zur Finanzierung des Ausbaus erneuerbarer Energien dient, war von der Koalition zunächst für den 1. Januar nächsten Jahres vorgesehen. Die Ampel­koa­li­tion äußerte die Erwartung, dass die Stromanbieter die auf die Jahresmitte vorgezogene Entlastung in vollem Umfang an die Verbraucher weitergeben.

Der im Koalitionsvertrag vereinbarte Sofortzuschlag für arme Kinder soll ab dem 1. Juli des laufenden Jahres gezahlt werden. Pro Monat sollen 20 Euro pro Monat bis zur Einführung einer Kindergrundsicherung gewährt werden. Die Koalition sieht auch weitere steuerliche Entlastungen für verschiedene Gruppen vor.

FDP-Chef Christian Lindner sowie SPD-Co-Chefin Saskia Esken und Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang betonten, die beschlossene Entlastung sei wegen der hohen Energiepreise nötig geworden. Man setze auf die Unterstützung des Bundesrats, weil auch die Länder eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger gewollt hätten. Esken zeigte sich überzeugt, dass die Bundesländer die Zehn-Punkte-Vereinbarung der Ampel unterstützen werden.

VdK und Paritätischer sind unzufrieden

Die Linke erklärte am Donnerstag, der einmalige Zuschuss für erwachsene Hartz-IV-Beziehende von 100 Euro gehe in die richtige Richtung, weil er schnell wirke. Er sei aber angesichts der enormen Belastung „viel zu wenig“.

Der Sozialverband VdK kritisierte die Pläne als unausgewogen. Zwar sei es zu begrüßen, dass die Koalition die Dringlichkeit zu handeln erkannt habe und die Abschaffung der EEG-Umlage vorziehe, erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Insgesamt sind die Beschlüsse jedoch sozialpolitisch extrem unausgewogen.“ Kinder aus armen Familien und Menschen mit kleinen Renten seien die Verlierer des Pakets. 20 Euro Sofortzuschlag für von Armut bedrohten Kinder seien „ein Tropfen auf dem heißen Stein“.

Nun müsse schnell die versprochene Kindergrundsicherung kommen, forderte die VdK-Präsidentin. Auch der einmalige Zuschlag von 100 Euro für Grundsicherungsempfänger sei „ein schlechter Witz“. Er helfe alten Menschen in Grundsicherung nicht, die dauerhaft hohen Preise zu stemmen, sagte Bentele.

Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband hat die Pläne angesichts der hohen Energiepreise als „völlig enttäuschend, ja fatal“ kritisiert. „Statt zielgenaue Maßnahmen auf den Weg zu bringen für diejenigen, die wirklich Hilfe brauchen, wird mit der Gießkanne operiert“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Ulrich Schneider, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Das sei nicht nur „ökologisch zweifelhaft“, sondern auch „haushaltspolitisch unvernünftig, weil es sehr viel Geld kostet“. Nicht zuletzt seien die beschlossenen Maßnahmen „sozial ungerecht“, sagte Schneider. Hartz-IV-Bezieher blieben „mit einer kleinen Einmalzahlung auf der Strecke“. Das sei nicht akzeptabel.

Der Chemieverband VCI bezeichnete die Entscheidung zur EEG-Umlage als „erfreulichen ersten Schritt“, dem aber weitere folgen müssten. „Die Abschaffung ist richtig und wichtig und ein Hoffnungsschimmer für unseren Mittelstand in brutal herausfordernden Zeiten“, teilte der Verband mit. Jedoch müsse die Stromsteuer „auf das EU-Mindestmaß gestutzt werden“.

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3 Kommentare

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  • 4G
    41159 (Profil gelöscht)

    Vielleicht herrscht ja Einigkeit darüber, dass jeder Bürger einen Anspruch auf die Grundbedürfnisse für ein halbwegs gesundes Leben haben sollte. Hinsichtlich der Verteilung der Umweltressourcen wird nur sehr selten infrage gestellt, ob die Aufteilung des Kuchens gerecht erfolgt. Menschen, die nach dem Grundsatz leben, dass zum Beispiel die Ressourcen (Energie, Wasser, Luft, Natur, Ruhe usw.) nur endlich zur Verfügung stehen und deshalb gerechter verteilt werden sollten (zumindest solange, wie keine globale Lösungen gefunden worden sind), haben eine verschwindend geringe Möglichkeit durch ihr Verhalten mehr Gerechtigkeit zu erwirken. Ein Anfang könnte gemacht werden, indem zumindest die Finanzierung und damit eine breite gesellschaftliche Korrektur im ökologischen Sinn ausgewogener erfolgt. Gestehen wir sämtlichen Bewohnern Verbrauchsmengen zu. Konkret: Jede Person hat das Recht auf elektrische Energie (z. B. 1000 kWh/Jahr), auf fossile Energie (z. B. 500 l Benzin/Jahr oder kW-Äquivalent), auf Wasser, Wohnung zu festgelegten Grundpreisen. Alles was darüber hinausgeht, muss entsprechend höher bezahlt und besteuert werden (linearer, quadratischer, … Preisanstieg je Einheit). Bis 1000 kWh also z.B. 20 Cent und die 2000. kWh kostet dann z. B. 80 Cent.

  • Das Verschieben einer Umlage in eine Steuer ändert für die Mehrheit (nicht für alle) vor allem, daß sich Sparen weniger lohnt und die Sparsamen für die Verschwender mitbezahlen. Billiger wird dadurch in der Summe nichts.



    Was soll die Einmalzahlung jetzt? Alle Mieter und nahezu alle Eigentümer zahlen einen festen Monatsabschlag. Die gestiegenen Preise sehen wir erst bei der Abrechung und die kommt irgendwann im Sommer. Ich kann mit Mietern frühestens nach der Eigentümerversammlung abrechnen, wenn meine Abrechung gültig wird. Das Heizkostenjahr ist meistens nicht identisch zum Kalenderjahr sondert endet mit der Ablesung im Herbst. Die jetzt kommende Jahresabrechnung enthält den kalten Winter 2020/21 mit hohem Verbrauch aber zu den alten Preisen. Die neuen Preise erscheinen erst in der Abrechnung im Sommer 2023, allerdings werden viele Vermieter und Gemeinschaften vorausschauend die Abschläge anheben.



    Für den Strom gilt dasselbe. Die Anpassung des für ein Jahr fixen Arbeitspreises kommt im Frühjahr und für viele Kunden, deren Versorger langfristig eingekauft haben, erst im nächsten Jahr. Die jetzt bald kommende Jahresabrechnung enthält noch keine gestiegenen Preise.



    Es wird für viele sehr teuer werden. Die Indistrie spürt das jetzt schon, die Wohnkosten aber noch nicht.

  • Das mag alles gut gemeint sein aber die Regierung muss dringend auch einen Ausgleich schaffen für die Menschen die hier knapp über den Bemessungsgrenzen geradeso über die Runden kommen. Bei uns hier haben wir ein Durchschnittsgehalt knapp unter der für Deutschland aktuell definierten Armutsgrenze. Der Großteil arbeitet für den Mindestlohn oder in Teilzeit und liegt nur knapp über dem Einkommen von H4 Empfängern. Viele beantragen auch aus Stolz keine möglichen Zuschüsse vor allem Rentner die trotz Niedrigstrente aus Stolz kein Wohngeld beantragen usw. . Ich weiß jetzt schon genau wie auf der Straße in den nächsten Wochen die Diskussionen laufen werden. Die Regierung kümmert sich ja sowieso nur um die Schmarotzer... Ich wünschte es wäre anders aber so sind die Menschen nun leider. Es muss ganz dringend ein Ausgleich bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze geben und nicht nur für bestimmte Transferempfänger.