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Kritik an bayerischer MittelschuleDas Land der 1.000 Schulformen

Die neue bayerische Mittelschule lässt in Bayern die Zahl der Schulformen explodieren. Die hochgetunte Hauptschule "löst nicht im Ansatz die Probleme, die wir in Bayern haben", sagen Kritiker.

Hauptschule, Realschule, Mittelschule - fehlt nur noch die Regionalschule. Bild: dpa

Die künftige bayerische Mittelschule, eine Art hochgetunte Hauptschule, gerät unter massive Kritik, bevor es sie gibt. "Das ist Augenwischerei", sagte die grüne Landtagsabgeordnete Simone Tolle zu dem am Dienstag im Kabinett beschlossenen Konzept. "Die Mittelschule kann das Schulsterben in Bayern nicht aufhalten." Auch Elternverbände schütteln mit dem Kopf. "Ich finde es geradezu albern, für die Mittelschule noch einen weiteren Schulabschluss einzuführen", meinte Ulrike Köllner, die Vorsitzende der Gymnasialeltern Bayerns. "Haupt- und Realschulen sollten endlich zusammen gelegt werden."

In Bayern mussten in den letzten Jahren 500 Hauptschulen schließen. Die Landesregierung will der Schwindsucht seiner verbleibenden rund 900 Hauptschulen nun begegnen, in dem sie sie zu Mittelschulen aufwertet. Das geht allerdings nur, wenn die jeweilige Hauptschule mindestens 300 Schüler hat, Ganztagsangebote vorweisen kann und Kooperationen mit der Wirtschaft. Erfüllen die Hauptschulen diese Kriterien (und noch einige mehr), dann heißen sie ab 2010 Mittelschulen -- und vergeben eine mittleren Schulabschluss. "Die neue bayerische Mittelschule wird sowohl für Schüler, Eltern und Wirtschaft ein starker Partner für die Zukunft sein", sagte Schulminister Ludwig Spaenle (CSU).

Selbst beim Koalitionspartner FDP geht man freilich vorsichtig auf Distanz zu dem Beschluss. "Unser Ziel ist es, die verkrusteten Schulstrukturen in Bayern aufzubrechen -- das geht leider nur in Tippelschritten," sagte die bildungspolitische Sprecherin der FDP, Renate Will. Auch das Ziel der FDP ist die vollständige Fusion von Haupt- und Realschulen. Weil es beim Koalitionspartner aber "nur ganz soft geht" (Will) haben sich die Liberalen die bayerischen Bürger auserkoren. "Wir setzen auf die Kreativität der Leute vor Ort", sagt Will, "wenn die wollen, könnten Haupt- und Realschüler zusammen lernen."

Will hat Grund, auf den zivilen Ungehorsam der Bürgermeister und Lehrer zu hoffen. Denn in Bayern ist es derzeit praktisch unmöglich, dass Haupt- und Realschüler in den Hauptfächern gemeinsam die Schulbank drücken. Nicht einmal in den 16 Schulen, an denen die beiden Schulformen ab September offiziell kooperieren dürfen. Selbst dort, so erfuhr die taz aus dem Ministerium, sind direkte Begegnungen der Schüler nur in Sport, Musik und dem Förderunterricht erlaubt. Warum ist das so? "Weil Minister Spaenle auf ein differenziertes Schulsystem setzt", sagt sein Sprecher.

Und weil die Vertreter der bayerischen Realschulen, Eltern wie Lehrer, "einen willkürlichen Austausch der Schüler ablehnen". Der Vorsitzende des Verbandes der Realschullehrer, Anton Huber, sagte der taz: "Hauptschüler haben ein anderes Begabungspektrum. Wenn die einen Realschulabschluss wollen, dann sollen sie ihn lieber beim Original machen -- bei uns." Bayerns Realschule erzielt rein von den Leistungen her exzellente Werte. Bei Pisa 2006 fand sich nur ein Prozent Risikoschüler an Realschulen, an den Hauptschulen waren es 37 Prozent.

Wenn die Mittelschule ab dem Jahr 2010 eingeführt wird, gibt es in Bayern de jure sieben verschiedene Schulformen unterhalb des Gymnasiums. Die Hauptschule und die Hauptschule mit P-Klassen; die Verbund-Mittelschule und die Mittelschule; die Realschule und die Wirtschaftsschule sowie die Sonderschule.

In den Provinzen hat man kein Verständnis für diese Schulpolitik. Zum Beispiel im unterfränkischen Maßbach, einer jener gefährdeten Hauptschulen mit derzeit noch 170 Schülern. Mittelschule wollen die Maßbacher nicht werden -- "denn der neuen Mittelschulabschluß wird von der Wirtschaft nicht akzeptiert", sagt Wolfgang Wittmann vom Bayerischen Lehrerverband. Wittman leitet die Maßbacher Schule. Seine Schule könnte auch gar nicht Mittelschule werden -- sie ist zu klein. Und Kooperationen "sind viel schwieriger als sich die in München vorstellen." Maßbach liegt am Rande des Landkreises Bad Kissingen, es müsste mit einer Schule aus dem Nachbarkreis zusammen arbeiten. "Außerdem, sollen wir Schüler für zwei Fächer kilometerweit mit dem Bus durch Gegend fahren?", fragt Wittmann.

Wittmanns Schule gehört zu den über 100 bayerischen Hauptschulen, die in München einen Antrag auf Kooperation mit Realschulen gestellt haben. Sonst steht seine Schule vor dem Aus, bald wird sie nur noch 120 Hauptschüler haben. "Unsere Probleme sind nicht mit den Instrumenten der letzten 200 Jahre lösbar", sagt der Lehrer.

Wittmann wird zusammen mit dem Bürgermeister seiner 7.000-Einwohner-Gemeinde wieder einen Antrag stellen -- den auf Regionalschule. Die gibt es zwar in Bayern gar nicht, aber sie macht das, was Wittmann und Hunderte andere bayerische Schulleiter wollen: "Gemeinsam unterrichten."

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3 Kommentare

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  • KP
    Komitee Pro kleinschreibung

    Fakt ist, CDU und CSU zeichnen sich durch ihre jahrzehntelange blockadepolitik und ihrem festhalten an einem ständestaatlichen, feudalen schulsystem zuallererst verantwortlich für die schlimmsten psychosozialen verwerfungen, die diese gesellschaft bundesweit zur zeit erleidet!

    Gettoisierung, spaltungsirresein, isolation, sozialautismus, psychopathische erkrankungen, störungen des gefühlslebens, soziale und ökonomische perspektivlosigkeit - als das folge einer völlig verfehlten und ideologisch vebrämten, inhumanen schul- und bildungspolitik.

    Schämen sollten sich die verantwortlichen minister bis zum letzten ihrer tage!

  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Sechsjährige kommunale Basisschule und zweigliedriger Sekundarbereich

     

    ------------------------------------------------

     

    Die Kritik an dem im frühen 19. Jhd. wurzelenden bayerischen Schulsystem ist lang und auch immer wieder Gegenstand der in München erscheinenden Süddeutschen Zeitung:

     

     

    „Im Freistaat werden von München aus mehr

    als 5000 öffentliche Schulen verwaltet. Dafür

    gibt es eine Kultusbürokratie, die das Gängelband

    besonders straff an den Volksschulen

    spannt. Gleich vier Ebenen sorgen dafür, … das

    Münchner Kulturministerium mit seinen 400

    Mitarbeitern, die 80 Beamten der Schulabteilungen

    in den sieben Bezirksregierungen, die

    fast 300 Schulräte in den rund 90 Schulämtern

    und die Schulen selbst. Der Apparat verschlingt

    nicht nur Unmengen Geld, das in den Schulen

    fehlt. Auch wird von oben herab gesteuert, so

    dass viele Entscheidungen fernab vom Alltag

    der Schüler und Lehrer fallen. … Im Münchner

    Kultusministerium weiß man inzwischen

    durchaus, dass diese Frage am besten von und

    an den Schulen selbst beantwortet werden kann

    – wenn man sie nur machen lässt. Mehr Eigenständigkeit

    sollen sie deshalb bekommen. Doch

    geht der Reformprozess in einem Land, das seit

    200 Jahren zentralistisch regiert wird, nur zögerlich

    voran: 44 ‚modus‘-Schulen erproben

    zurzeit die neue Freiheit. … Mehr Zentralismus

    ist auch hier keine Garantie für mehr Gerechtigkeit.

    … Die Lehre daraus: Schulen und

    Hochschulen brauchen nicht mehr Zentralismus

    – sie brauchen mehr Freiheit.“ soweit Christine Burtscheidt in der SZ. vom 13. 03. 2006.

     

    Dabei gibt es auch strukturell eine wirkliche Alternative. Der Aktionsrat Bildung weist in seinem Jahresgutachten 2007 mit "Handlungsempfehlungen für die Politik" den Weg: „Der Sekundarbereich wird zweigliedrig angeboten.“ Allerdings müsste aus meiner Sicht die Grundschulzeit auf sechs Jahre ausgeweitet werden.

     

    Um das Problem zu lösen müsste die Regierung des Freistaats den Gemeinden, im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung den Frei-Raum gewähren, sechsjährige, kommunale Basisschulen einzurichten. Darauf wäre eine zweigliedrige, ebenfalls sechsjährige Schulstruktur vorzusehen: mit einem sechsjährigen Aufbaugymnasium (die gibt es sogar schon vereinzelt in Bayern) und einer ebenfalls sechsjährigen, gänzlich neu zu konzipierenden Kollegschule, die allgemeinbildend, profilbildend und berufsbildend ist.

     

    Vorboten davon gibt es schon -allerdings in der Freien und Hansestadt Hamburg.

     

    Für Bayern und vor allem die dortigen Schulkinder kann man sich die Hamburger schwarz-grüne Schulpolitik nur wünschen, da die in Bayern mitregierende FDP leider auf eine institutionelle Innovation wie in Hamburg verzichtet.

     

    Ludwig Paul Häußner

    Universität Karlsruhe (TH) - IEP

    www.unternimm-die-schule.de

    www.iep.uni-karlsruhe.de

  • G
    Gockeline

    Die ständige Kritik an den Schulen zuzüglich die Pisastudie hat bei den Kultusministern einen ran ausgelöst wie man die Schule erneuern kann.

    Nun wir versucht,verändert und alles ausprobiert um die Schule in die Neuzeit zu bringen.

    Es ist aber nicht die Schule alleine,

    die das Chaos anrichtet.

    Eltern die ihren Kindern nicht mal ein Grundprogramm anbieten an Erziehung und menschlicher Bildung,ein bischen Disziplin,wecken an Intresse und nicht nur konsumieren.

    Mit diesen defiziten kommen heute die Kinder in die Schule und nun schiebt man alles auf die Lehrer.Viele Kinder haben so schwerwiegende Defizite,dass sie nur in ganz kleinen Gruppen mit Disziplin unterrichtet werden können.

    Eltern sind dabei ihre Verantwortung und ihre Fehler nur auf andere zu schieben.

    Zum Lernen braucht man ein anderes Verhalten.

    Es braucht Konzentration,was diese Kinder nicht mehr können.Sie stören gradezu den Unterricht um nichts zu lernen.