: Kritik an Bips-Studie
Zwei renommierte Medizin-Professoren haben die sogenannte Greiser-Studie über eine angeblich erhöhte Leukämierate in der Umgebung des Kernkraftwerkes Krümmel scharf kritisiert. Der Bremer Professor Eberhard Greiser habe aus Tausenden von Befunden und Kombinationen in tendenziöser Weise solche herausgepickt und erwähnt, die für ein erhöhtes Leukämierisiko in der Nähe des Atommeilers bei Geesthacht sprechen könnten. Dies erklärte Professor Winfried Gaßmann von der Universitätsklinik Kiel. Ähnlich äußerte sich Professor Jörg Michaelis von der Universitätsklinik in Mainz.
Die Studie des Bremer Instituts für Sozialforschung unter der Leitung von Greiser sorgt seit Oktober 1994 für Wirbel. dpa
daß für Erwachsene in Geesthacht ein erhöhtes Risiko besteht, an Blutkrebs zu erkranken. Dies galt bis dahin nur für die in der Samtgemeinde Elbmarsch auf der anderen Elbseite lebenden Kinder.
Die Glaubwürdigkeit der Studie leidet nach Ansicht von Gaßmann und Michaelis auch darunter, daß ihr Erstautor Wolfgang Hoffmann aus der Anti-AKW-Bewegung stammt. Die Art der Studie erwecke den Eindruck, hier sei es um die Bestätigung einer vorgefaßten Meinung gegangen. Seit 1984 – dem Jahr der Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Krümmel – sei in Geesthacht bei Kindern nicht ein einziger Fall von Leukämie aufgetreten, sagte Gaßmann. Umgekehrt besteht laut Studie für Erwachsene in der Elbmarsch kein erhöhtes Leukämierisiko. Die Phänomene könnten kaum dieselbe Ursache haben. Allein deshalb sei das Kernkraftwerk als Verursacher sehr unwahrscheinlich.
Ein erhöhtes Leukämierisiko für Erwachsene besteht laut Studie auch in den kraftwerksfernen Regionen im Raum Berkenthin und in der Umgebung der Kreisstadt Ratzeburg im Norden des Kreises Herzogtum Lauenburg, nicht aber zum Beispiel in den Nachbargemeinden der Samtgemeinde Elbmarsch. Auch diese Ergebnisse widersprächen der These, das Kraftwerk sei die Ursache für die Erkrankungen, betonte Michaelis.
Gaßmann betonte, die meisten der in Geesthacht vermehrt aufgetretenen Arten von Leukämie könnten nicht von Radioaktivität verursacht worden sein. Die durch Strahlen verursachten Leukämien aber seien von anderen oft sehr schwer zu unterscheiden. Hier seien von Ärzten aus Unwissenheit möglicherweise falsche oder ungenaue Angaben gemacht worden. Dies werde in der Studie nicht ausreichend berücksichtigt. Auch die relativ kleine Datenbasis und die Freiwilligkeit der Erhebung könnten die Aussagen verfälschen.
Auch der Kieler Toxikologe Professor Ottmar Wassermann schloß das Kernkraftwerk als einzige Ursache für die Leukämie-Erkrankungen aus. Möglicherweise gebe es Zusammenhänge zwischen der gesetzlich erlaubten dauerhaften Niedrigstrahlung eines Kernkraftwerkes und „zig weiteren Umweltfaktoren“, meinte er. lni pi cd ll
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