Kritik am Thüringer Verfassungsschutz: "Nicht zu retten"
Das Versagen des Thüringer Verfassungsschutzes hat ein Nachspiel. Grüne und Linke fordern eine Untersuchungsausschuss des Bundestages, um endlich aufzuklären.
BERLIN taz | "Dieses Landesamt ist nicht mehr zu retten", meint Petra Pau. "Nach allem, was wir hören, gehört dieser Geheimdienst abgeschafft", sagt die Fraktionschefin der Linkspartei der taz - eine Forderung, die ihre Genossen in Thüringen schon lange erheben.
Am Wochenende war bekannt geworden, dass Thüringens Verfassungsschutz dem untergetauchten Neonazi-Trio rund 2.000 D-Mark für falsche Pässe zukommen lassen wollte, um ihm so auf die Spur zu kommen. Der Plan schlug fehl. Außerdem wurde bekannt, dass die Behörde auch die Fahndungsmaßnahmen der Polizei sabotiert haben soll, indem sie V-Leute in der Szene auf deren Beschattung durch Kriminalbeamte hinwies.
"Wenn der Verfassungsschutz die Neonazi-Mörder finanziell unterstützt und sogar mit Informationen versorgt hat, bedeutet das eine unfassbare Unterwanderung staatlicher Stellen durch die rechtsextreme Szene in Deutschland", urteilt Grünen-Chefin Claudia Roth im Gespräch mit der taz. "Solche Verquickungen müssen sofort und lückenlos aufgeklärt werden." Dafür verlangt sie, wie die Linkspartei, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestags. "Ein Verfassungsschutz, der selbst kriminell handelt und Mörder gewähren lässt, wäre für unsere Demokratie untragbar", sagt Roth.
"Das ist ein Wollknäuel, das man entwirren muss", meint Michael Hartmann von der SPD. "Aber wir sollten jetzt auch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten." Die Abschaffung des Verfassungsschutzes lehnt der innenpolitische Sprecher ab: "Wir brauchen ihn weiterhin, damit er uns vor Rechtsextremisten und Islamisten schützt." Auch der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Hartfrid Wolff, sieht das so. Er findet nur, der Verfassungsschutz müsse "besser, professioneller und rechtsstaatlicher organisiert werden". Dazu gehöre es, künftig mehr "rechtsstaatliche Leitplanken" einzuziehen. Und Wolff meint: "Wenn das die Länder nicht machen, muss es der Bund tun."
Künftig engere Zusammenarbeit von Landes- und Bundesämtern
Der hat seinerseits in den letzten Wochen einige Maßnahmen beschlossen - unter anderem müssen die Landesämter künftig ihre Informationen an das Bundesamt weiterleiten -, die aber wenig an den Strukturen ändern.
Dabei hatte der Bundestag noch im November in seiner einstimmigen Erklärung gefordert, die Strukturen der Sicherheitsbehörden müssten "dringend überprüft werden". Zuvor hatte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorgeschlagen, die Zahl der Verfassungsschutzbehörden zu reduzieren. Man könne überlegen, ob es statt 16 Landesämtern nur drei oder vier geben soll.
Die Zusammenlegung der Ämter wäre eine elegante Art, die Behörde in Thüringen aufzulösen. Doch zu entscheiden hat dies nicht der Bund, sondern es ist Sache der Länder. Die meisten Länder wollen allerdings keine Kompetenzen abgeben. Auch Thüringen will das nicht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!