Kritik: Radek Krolczyk über die Ausstellung „Übergänge“: Minimale Eingriffe
Effrosyni Kontogeorgou reagiert in ihren Arbeiten oft auf die räumliche Situation der Ausstellungsorte. In der Städtischen Galerie hatte sie zuletzt in einen schmalen Übergang zwischen den Ausstellungsräumen eine Treppe installiert, deren Stufen die Besucher erst in die eine, dann in die andere Richtung schraubte. Man konnte die Treppe als künstlerische Intervention übersehen, erfahren musste man sie.
In der Galerie Herold, die sich auf dem Gelände des Güterbahnhofs befindet, zeigt sie zurzeit eine Installation, die in eine ähnliche Richtung geht, ihren Ort reflektiert und den Besucher lenkt. Im Mittelpunkt steht eine Schwelle zwischen den Orten, eine Pause. Direkt an der Auffahrt zu dem Areal des Güterbahnhofs befindet sich eine Bahnschranke. Besucher schließen Wetten darüber ab, ob man auf dem Weg zu einem Konzert oder einer Ausstellung warten muss – meistens muss man warten. Die Schranke nervt zwar – vor allem bei Regen –, gleichzeitig aber entwertet sie das Gelände und schützt es so vor wirtschaftlichen Interessen. Ein Ikea wird dort nicht entstehen, obwohl die Lage phantastisch ist. Diese Situation bildet den Ausgangspunkt für Kontogeorgous’Arbeit. Sie hat errechnet, dass die Schranke stets zwischen zwei und acht Minuten den Verkehr blockiert und in die Räume der Galerie entsprechende Kurven gelegt, eine kleine, beinahe unmerkliche und eine große, die den Durchgang versperrt. Die Künstlerin hat die Böden neu mit Linoleum ausgelegt, und auch die Kurven bestehen aus diesem Material. Sie sind wie eine Skateboardrampe mit einem Holzgerüst unterbaut. Es ist phantastisch, wie sich diese minimalen, aber effektiven Eingriffe auf die Erfahrung des Raumes auswirken. Die 8-Minuten-Kurve sieht aus wie ein Wall und versperrt eine Tür. Von der anderen Seite aber kann man auf seinen Kamm klettern, wenn man sich traut, und in die leere Weite des Raums blicken, wie von einer Düne am Meer.
Der Autor ist Betreiber der Galerie K’.
„Übergänge“ von Effrosyni Kontogeorgou ist bis zum 17. 9. in der Galerie Herold zu sehen
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