Kritik Politcasting "Ich kann Kanzler": Machen statt Meckern
Häme hat das ZDF-Politcasting begleitet, in dem ein 18jähriger Nachwuchskanzler gekürt wurde. Zu Unrecht.
Seit Freitagabend, 23.47 Uhr, hat Deutschland seinen Nachwuchskanzler. Er heißt Jacob Schrot, ist 18 Jahre alt und kommt aus Brandenburg. Gegen fünf Konkurrenten konnte er sich beim ZDF-Politcasting "Ich kann Kanzler" durchsetzen, mehr als 2.000 junge Leute hatten sich beworben.
Die Jury, bestehend aus Günther Jauch, Anke Engelke und dem ehemaligen Bremer Bürgermeister Henning Scherf (SPD), fragte ab, was sie von Politikern an Fähigkeiten erwartet: Überzeugungskraft, Wissen und Redetalent. Das Publikum entschied per Telefon - knapp 75 Prozent waren am Ende für Jacob Schrot und seine Vision "Machen statt Meckern".
Doch kaum hatte Steffen Seibert die Sendung abmoderiert, begann die öffentliche Demontage der Kandidaten. Sie seien stromlinienförmig, Spießer, keinesfalls Visionäre und stattdessen "vergreiste Jugendliche" (DerWesten). Mit dem Gewinner wolle kein Klassenkamerad in den Urlaub fahren - schnell war das Bild vom durchgeknallten Superstreber gezeichnet.
Vielleicht hätte man sich wirklich von dem Abend mehr wünschen können als die in Parteiprogrammen niedergeschriebenen Themen "Bildung für alle" oder "Steuern runter". Die Chancen darauf wären allerdings gestiegen, wenn das Konzept der Sendung mehr Platz dazu gelassen hätte. 45 Sekunden für ein Statement - da wird es schwer, eine Vision samt Gegenfinanzierung argumentationssicher hinzulegen. Auch um wirklich unkonventionell zu sein, bot "Ich kann Kanzler" keine Möglichkeit.
Mit Jacob Schrot gewann am Ende der Kandidat, der Begeisterungsfähigkeit, rhetorisches Talent und Wissen am besten vereinen konnte - und dies in einem Alter, in dem sich die Mehrheit von Politik gelangweilt fühlt. Dass Schrot sich trotzdem engagiert - in einer Partei und 16 Ehrenämtern - verdient mehr Respekt als seinen fünf Konkurrenten und ihm zuteil geworden ist. Er macht, das Meckern überlässt er anderen.
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