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Krise in der ElfenbeinküsteAbidjan wird zur Kriegszone

Kämpfe zwischen Gbagbos Truppen und Rebellen in der ivorischen Metropole fordern viele Opfer. Eine Zeitung ruft die Generäle zum Zusammenschluss auf.

Die Menschen aus Abidjan fliehen vor den Kämpfen zwischen Militär und Rebellen. Bild: reuters

BERLIN taz | "Über 600 Tote in drei Monaten: Stoppt die Massaker!" Mit diesem Aufruf wandte sich die unabhängige Zeitung Nord-Sud in der Elfenbeinküste am Donnerstag an die Führungen der beiden ivorischen Armeen - die des abgewählten Präsidenten Laurent Gbagbo, die den Südteil des Landes mit der Metropole Abidjan kontrolliert, und die Rebellenarmee FN (Forces Nouvelles), die den Norden der Elfenbeinküste beherrscht und den von Gbagbo in einem Abidjaner Hotel blockierten Wahlsieger Alassane Ouattara unterstützt.

Die Ehre der Generäle beider Lager erfordere es, so das Blatt, sich "als Bollwerk des Volks gegen Ungerechtigkeit, Diktatur und Abenteurertum" zusammenschließen und das Blutvergießen zu beenden.

Der Appell an das Militär zeigt, wie gering die Hoffnungen in eine politische Lösung der Krise sind, die die Elfenbeinküste seit der Präsidentenwahl vom November 2010 erneut spaltet. Gbagbo weigert sich weiterhin trotz Wahlniederlage, die Macht an Ouattara zu übertragen. Sanktionen haben bislang wenig gebracht. Die zur Vermittlung angereisten Präsidenten von Mauretanien, Südafrika, Tansania und Tschad reisten am Mittwoch nach mehreren Tagen Gespräche wieder ab. Sie wollen bis Monatsende einen "bindenden" Friedensplan vorlegen.

In Abidjan wurden die afrikanischen Präsidenten Zeugen davon, wie die 3,5 Millionen Einwohner zählende Metropole in den Bürgerkrieg abgleitet. Keine Nacht vergeht mehr ohne Schießereien zwischen Gbagbo-Soldaten und unidentifizierten Bewaffneten, die vom Gbagbo-Lager als infiltrierte Rebellen dargestellt werden und vom Ouattara-Lager als Selbstverteidigungsmilizen beziehungsweise übergelaufene Soldaten. Gbagbos Sprecher Ahoua Don Mello sprach am Donnerstag von bis zu 500 "als Zivilisten verkleideten Rebellen" mit schweren Waffen, die "Terrorakte" begehen und "Revolution" machen wollten.

Im nördlichen Stadtteil Abobo, einer Ouattara-Hochburg, ergriffen am Donnerstag früh zahlreiche Menschen die Flucht, nachdem Gbagbos Armee am späten Mittwoch eine Offensive begonnen hatte. Erneute Kämpfe mit schweren Waffen waren zu hören, berichteten Augenzeugen. Auch benachbarte Stadtviertel sowie strategisch wichtige Straßen seien betroffen.

Eine mysteriöse "Befreiungsbewegung der Bevölkerungen von Abobo und Anyama" hat erklärt, 27 Soldaten in Abidjan getötet zu haben, dazu noch Milizionäre und Söldner. Die Zeitung LExpression schätzt die Zahl der getöteten Sicherheitskräfte auf mindestens 50. Dazu kommen zahlreiche erschossene Zivilisten. Donnerstag früh meldete die UNO zudem den Ausbruch von Kämpfen im Westen der Elfenbeinküste.

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5 Kommentare

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  • P
    Piwi

    Großes Palaver gibt es in den Medien nur, wenn in den betreffenden Regionen was abzustauben ist.

     

    Korrumpieren kann man jeden. Man braucht nur genügend Geld. Und davon ist ausreichend vorhanden. Mit dem selbstgeschöpften Geld der Westbanken könnte die ganze Welt mehrfach gekauft werden.

     

    Das ist das eigentliche Verbrechen, das selbstverständlich niemals diskutiert wird.

     

    Nun wird die EU aufgekauft. Mal schauen, wann die Bevölkerung wach wird.

  • AA
    Andreas Ackermann

    Den Vorwurf hab ich vorher irgendwo schon mal gelesen, allerdings mit erheblich geringerer Zahl. Werden diese Zahlen auch sonst noch von einer weiteren glaubwürdigen Quelle bestätigt? Ich habe Mühe, das zu finden, ausser in einem 70-fach übers ganze Internet kopierten englischsprachigen Blogkommentar.

  • 1
    1-Gaou

    Die FAZ schrieb z.B.: "Dabei hatte der Vergleich der manuellen Auszählung mit einer elektronischen Auszählung ergeben, dass in 2200 von insgesamt rund 20.000 Wahlbüros mehr Wähler gewählt hatten, als eingetragen waren." http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~E40481A4C4D9A453E86AAB82B28509E75~ATpl~Ecommon~Scontent.html

  • AA
    Andreas Ackermann

    Wo gibt es denn bitte "seriöse Analysen", dass Ouattara die Wahlen nicht gewonnen habe?

     

    Das Gegenteil ist hochgradig wahrscheinlich: Die erste Runde, die allgemein von Beobachtern als frei und fair bewertet wurde, mit insgesamt 14 Praesidentschaftskandidaten hat Gbagbo mit 38% gewonnen. Ouattara hatte 32%, Bedie 25% und Mabri 2.5%, die uebrigen zusammen 2.5%. Die meisten der anderen Kandidaten, aber insbesondere Bedie und Mabri haben ihre Waehler gebeten, Ouattara ihre Stimme zu geben, denn Bedie ist in Koalition mit Ouattara und Mabri sein Sprecher.

     

    Mich verwundert es nicht, dass das UN-zertifizierte Ergebnis der zweiten Runde Ouattara mit 54% vorn sieht.

  • GS
    Gunnar Sturm

    Ouattara hat die Wahlen nicht gewonnen...es gibt seriöse Analysen die das belegen.

    Die ONUCI hat eine Nachzählung der Stimmen verweigert, inzwischen wurden die Wahlurnen verschwunden.

     

    Nun haben alle Seiten Blut an den Händen. Unter Ivoren wird diskutiert das nur Lösungen ohne Gbagbo, Ouattara und Bedie einen Versuch wert sind...und die Rebellen, auch wenn amnestiert, dürfen nicht an dem Kuchen teilhaben!