Krise in der Elfenbeinküste: Die Ivorer bleiben ohne Schutz
In Libyen wird eingegriffen, aber nicht in der Elfenbeinküste, monieren die Staaten Westafrikas. So stoppt keiner den Krieg zwischen Gbagbo und Ouattara.
Der Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste nimmt an Schärfe zu. Die in der Nordhälfte des Landes herrschende Rebellenarmee FN (Forces Nouvelles), die den gewählten Präsidenten Alassane Ouattara unterstützt, setzte am Donnerstag ihren Vormarsch im Westen nahe der Grenze zu Liberia fort. Sie näherte sich der Stadt Guiglo, Hauptstadt der Provinz Moyen-Cavally und Handelsknotenpunkt.
Nach eigenen Angaben will sie die Region von liberianischen Milizen säubern, die für den abgewählten, aber noch amtierenden Präsidenten Laurent Gbagbo kämpfen. In Guiglo seien Plünderungen im Gange, die Lage sei "konfus", erklärte die UN-Mission in der Elfenbeinküste (Onuci). Milizionäre hätten in der Nacht ein Lager des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR geplündert.
Zehntausende von Menschen sind in dieser Region auf der Flucht. Rund 90.000 haben die Grenze nach Liberia überschritten. Die Gesamtzahl der Flüchtlinge und Vertriebenen in der Elfenbeinküste seit Beginn der Gewalt zwischen Gbagbo- und Ouattara-Streitkräften Mitte Dezember wird von der UNO auf rund 500.000 geschätzt. Die meisten davon sind aus Ouattara-Hochburgen in der umkämpften ivorischen Metropole Abidjan geflohen.
Dort werden die Menschen immer wieder Opfer von Beschuss durch Gbagbos Militär, seit Rebellen mehrere Stadtviertel unter ihre Kontrolle gebracht haben. Nach jüngsten UN-Angaben hat die Gewalt seit Dezember 462 Tote gefordert, davon 52 diese Woche. Die meisten davon sind Opfer von Gbagbo-treuen Streitkräften.
Besonders seit Gbagbos radikaler Jugendminister Charles Blé Goudé Anfang dieser Woche ankündigte, an loyale Bevölkerungsgruppen Waffen zu verteilen, drängeln sich jeden Tag tausende von Menschen an den Busbahnhöfen Abidjans, um zu fliehen. In Aboudé-Mandéké rund 100 Kilometer nördlich von Abidjan hielten bewaffnete Jugendliche am Montag einen Bus mit dreißig aus Mali, Niger, Burkina Faso und Mauretanien stammenden Reisenden auf, die Richtung Norden unterwegs waren, plünderten sie komplett aus und erschlugen einen, berichtet die staatliche ivorische Nachrichtenagentur AIP.
Solche Vorfälle nähren Ängste vor einer Destabilisierung ganz Westafrikas, dessen Regierungen Ouattara als Präsidenten anerkennen. Auf einem Gipfeltreffen in Nigeria forderten sie gestern eine aktivere Rolle der UN-Mission. Dass die internationale Gemeinschaft in Libyen massiv eingreift, während die Krise in der Elfenbeinküste ungebremst eskaliert, hat in Nigeria und anderen Ländern zu Unmut geführt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“