piwik no script img

Krise in der ElfenbeinküsteSchlacht um Abidjan

Ouattaras Truppen sind in die ivorische Metropole einmarschiert. Die letzten Anhänger Gbagbos haben sich in dessen Palast und Residenz verschanzt.

Eine militärische Entscheidung im Machtkampf rückt näher: Rauch über der ivorischen Hauptstadt Abidjan. Bild: reuters

BERLIN taz | Noch nie hat die Elfenbeinküste einen friedlichen Machtwechsel erlebt, und der lange Abgang von Laurent Gbagbo bildet hierzu keine Ausnahme. Was zunächst nach einer reibungslosen Siegesprozession der Streitkräfte des gewählten Präsidenten Alassane Ouattara aussah, die innerhalb weniger Tage fast das gesamte von Gbagbo kontrollierte Teilgebiet der Elfenbeinküste kampflos erobert hatten, verwandelte sich nach ihrem Einmarsch in die Metropole Abidjan in der Nacht zum Freitag dann doch noch in einen Krieg.

Die über drei Millionen Einwohner der größten ivorischen Stadt verbrachten die Nacht in Angst vor den massiven Plünderungen durch marodierende Gbagbo-Milizionäre, begleitet von schweren Artilleriegefechten zwischen der Ouattara-Armee FRCI (Republikanische Streitkräfte) und den Gbagbo-Truppen FDS (Verteidigungs- und Sicherheitskräfte).

Am Freitag früh hatten Ouattaras Militärs fast ganz Abidjan unter ihre Kontrolle gebracht. Sie belagerten den Präsidentenpalast im zentralen Stadtviertel Plateau und die Präsidentenresidenz im Nachbarviertel Cocody. Währenddessen wurde auch im Gendarmeriecamp Agban im angrenzenden nördlichen Stadtteil Adjamé geschossen und an diversen Ecken, vor allem im westlichen Stadtteil Yopougon, zogen Bastionen der Gbagbo-Anhänger, "patriotische" Gbagbo-treue Milizionäre durch die Straßen.

Wo Gbagbo ist, ist unbekannt

Aber wo der Machthaber Gbagbo sich befand, der seine Wahlniederlage vom November 2010 bis heute nicht anerkennt, blieb auch danach unklar, als immer wieder schwere Explosionen die Kampfgebiete erschütterten.

Er befinde sich in seiner Residenz und bete, hieß es in einem Bericht; er befinde sich in einem Palast und führe eine Kabinettssitzung, hieß es in einem anderen. Er sei gar nicht mehr da sondern entweder in einer ausländischen Botschaftsresidenz oder der Villa des Geschäftsführers der staatlichen Logistikfirma oder gar in einem Dorf in seiner Heimatregion oder sogar in Kamerun, so wieder andere Berichte. Der französische Botschafter, dessen Residenz neben der Gbagbos liegt, sagte, er sei nicht da.

Lokalen Quellen zufolge schreckten die Ouattara-Kämpfer aber wegen der Präsenz französischer Soldaten in dieser Gegend vor einem Sturmangriff zurück. Nicht weit entfernt liegt auch das "Hotel du Golf", seit Dezember Regierungssitz Ouattaras und seines Premierministers Guillaume Soro. Die Blockade des Hotels durch Gbagbo-Truppen besteht nicht mehr. Präsident Ouattara kann sich jetzt im Prinzip frei bewegen; es ist Gbagbo, der jetzt eingeschlossen ist, sofern er Abidjan nicht doch bereits verlassen hat.

Ouattara übernimmt nun die Macht im Staat. Am Donnerstag abend dekretierte er eine totale Ausgangssperre bis Montag früh. Formell haben ihm alle Teile des ivorischen Sicherheitsapparats ihre Loyalität zugesichert: Polizei, Gendarmerie, Armee, Präsidialgarde. Die Chefs von Garde und Gendarmerie trafen am Donnerstag abend bereits im Hotel du Golf ein.

Zivilbevölkerung soll nicht auf die Straße gehen

Nicht alle Angehörigen der verschiedenen Teilstreitkräfte sind aber mit dem Loyalitätswechsel einverstanden. Die Führung der Sondereinheit des Militärs zur Verbrechensbekämpfung "Cecos" rief alle Soldaten dazu auf, sich Ouattara zu unterstellen, und drohte, "jeden zu verhaften, der sich der Republik verweigert". Auf ihrer Webseite warnte Ouattaras Militär am Nachmittag die Zivilbevölkerung von Abidjan, sie solle nicht auf die Straße gehen, da "bewaffnete Pro-Gbagbo-Milizen ihr letztes Hurra in den Straßen veranstalten" und "die Säuberungsaktionen der FRCI noch nicht begonnen haben".

Die Gbagbo-Milizen, ohne Führung und komplett auf sich allein gestellt, seien dabei, systematisch in Einkaufszentren und Luxuswohnanlagen einzudringen und zu verwüsten, wurde weiter berichtet. Die Villa von Gbagbos Generalstabschef Philippe Mangou, der sich am Mittwoch losgesagt und in die Residenz des südafrikanischen Botschafters geflohen war, soll ebenso geplündert worden sein wie die von Gbagbos ehemaligem Premierminister Affi N'Guessan.

UN-Blauhelme und französische Soldaten versuchen in einzelnen Stadtvierteln von Abidjan, gegen Plünderer vorzugehen. Die UN-Mission in der Elfenbeinküste (Unoci) hat auch die Kontrolle über den Flughafen von Abidjan übernommen, wo Gbagbos Parlamentspräsident Mamadou Koulibaly beim Versuch der Flucht nach Ghana festgenommen worden sein soll.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • G
    Generator

    Die CECOS ist keine "Sondereinheit des Militärs zur Verbrechensbekämpfung" sondern das "Centre de Commandement des Opérations de Sécurité" das für die Koordinierung zwischen den Streitkräften FDS und den Internationalen Truppen zuständig ist und 2007 im Vertrag von von Ouagadougou geschaffen wurde.

     

    http://www.kas.de/westafrika/de/publications/21513/

     

    Außerdem kann ich mir schwer vorstellen das der Chef der Präsidialgarde (die mit den Republikanischen Garden identisch ist) am 31. März eine loyalität bekundete wenn der Chef der ONUCI, Choi Young Jin, am nächsten tag behauptet, dass nur mehr die Republikanischen Garden loyal zu Gbagbo sind...

  • 1
    1-Gaou

    @Daniel P.: wenn du schon so Haare-spalten mußt (inzwischen gibt's ja noch weit mehr Meldungen zu deinem verehrten Ouattara, die dir nicht gefallen werden): in Anführungszeichen steht eine Passage wörtlich übersetzt, ohne ist es eine sinngemässe Inhaltsangabe! Die UNO geht inzwischen ja aber noch weiter, ich würde sagen: sie distanziert sich von ihrem "Saubermann" Ouattara, die haben nämlich schon mitbekommen, das das nur die "Spitze des Eisberges" ist, was da gerade herauskommt. Alles weitere im leserbrief aktuell zum Bericht vom 3.4.

  • MU
    Max Untreu

    Liebe Land und Leute und staune über manchen Kommentar. Seit 1996 gab es immer wieder Unruhen und Ausseinandersetzungen mit Toten auf allen Seiten. Die Korruption, die für Taxifahrer oft tödlich verlaufenden Kontrollen an Strassensperren, die seit 1999 zunehmende Gewalt gegenüber Gastarbeiter aus dem Norden - Frieden kennt die CI nun schon zu lange nicht mehr. Leider gibt es in der CI einiges zu holen, und so wird das Land wohl kaum in Ruhe gelassen. Was unter Gbagbo nicht möglich war, die

    Entwaffung aller irregulärer Kräfte und die Durchführung von sauberen und transparenten Wahlen, wird wohl auch unter Ouattara Wuschtraum bleiben.

  • R
    Rumpel

    Normalerweise plündern doch Söldner, oder sog. Rebellen, und Sieger. Uns was passiert, wenn Söldner und Rebellen Sieger sind?

    Irgendwie scheinen in der Berichterstattung über c.i. die Rebellen Lichtgestalten zu sein, statt das übliche Söldnerpack. Nunja, sie wurden ja auch amnestiert, und jetzt international anerkannt.

  • 1
    1-Gaou

    Ouattara ist aus Abidjan geflohen! Starker Druck auf die UNO und auf Ouattara dieses Massaker einzustellen!

    Amnesty International und UNO reklamieren schwere Menschenrechtsverstösse durch Ouattara's Leute! Es heißt, alleine heute gab es 800 Ermordete durch Ouattara-Rebellen. Ouattara's Leute sind in Abidjan auf dem Rückzug. Der TV-Sender ist entgegen der Ouattara-Propagandameldungen nach wie vor in der Hand der Gbagbo-Anhänger, wenn auch beschädigt. Nicht einfach immer nur TAZ glauben: http://www.dailymotion.com/video/xhx9nv_jt-live-01-04-11-edition-du-soir_news#from=embed

  • DP
    Daniel Preissler

    @premier gaou

    war das Absicht???

    "indiquer craindre" (zu befürchten angeben) ist nicht dasselbe wie "accuser/dénoncer" (anklagen), wie du übersetzt hast!

    Die UNO befürchtet schwere Verstöße gegen die Menschenrechte, sie klagt sie nicht an! (welche Quelle, d'ailleurs?)

    meilleurs voeux,

    Daniel

  • GS
    Gunnar Sturm

    Warum wurden Einsprüche gegen die Wahlen nicht geprüft, warum wurden von der UNO die Neuauszählungen verhindert.

    Es wurden doch wirksame Sanktionen gegen Gbagbo erlassen...die brauchen aber Zeit zum wirken!!!

     

    Also: Warum werden so schnell militärische Tatsachen geschaffen? Wessen Interesse steckt dahinter...wem läuft da die Zeit davon?

     

    Tolle Demokratie: schießen statt zählen!

     

    PS:es war vereinbart das die Rebellen vor den Wahlen entwaffnet werden, wo haben die nun die vielen Waffen her?

  • E
    Ebert

    Danke Dominic Johnson für die aktuelle und gute Berichterstattung. Würde mich wirklich sehr freuen, wenn die "Demokratie" möglichst friedlich ihren Weg gehen kann und die Bevölkerung nicht länger gegeneinander aufgehetzt wird.

  • 1
    1-Gaou

    Jetzt Kommt das was wir schon immer befürchtet haben: "L'ONU a indiqué vendredi craindre de "graves violations des droits de l'homme" commises par les Forces républicaines de Côte d'Ivoire (FRCI), les pro-Ouattara, en particulier dans l'ouest du pays." Die UNO klagt nun "schwere Verstöße gegen die Menschenrechte durch Pro-ouattara-Truppen an", jetzt wo die Fakten geschaffen sind!! und Rebellen nicht entwaffnet, sondern aufgerüstet worden und morden wie sie wollen! Und jetzt sagt die UNO, die sind aber böse!

  • RP
    ralph podzwadowski

    Vor der Wahl herrschte Frieden, nach der Wahl ist ein international gewollter Buergerkrieg in Namen der Demokratie angezettelt worden. Bravo, und was nun??

    Aber was zaehlen schon Tausende Menschenleben im fernen Afrika fuer eine europaeische legitimierte "Ouattara-Demokratie". Die Wahrheit bleibt die Wahrheit, auch wenn sie von vielen denunziert wird. Letztendlich wird man auch hier wieder hinterher betroffen sagen koennen, haette man das doch vorher gewusst(bzw.zugegeben und sich neutral verhalten).

    Und nun wieder vor einer humanitaeren Katastrophe zu warnen, die man selbst angestiftet,provoziert und gewollt hat ist einfach nur zynisch; aber die Un und andere sog. humanitaere Organisationen brauchen ja auch eine Daseinberechtigung. Die investierten Millionen in ihren Praesidenten Ouattara, muessen auf Gedeih und Verderb zurueckgeholt werden und es sieht ja auch nun gut aus, fuer solche Art von Geschaeftemachern.

    Frieden ist nuneinmal das "kostbarste" Gut.

  • E
    end.the.occupation.162

    Kein Öl in Abidjan.